Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde
Isolierkanne von der Maschine, goss Kaffee in einen Becher und fügte sogar den Zucker hinzu. Nele nahm es mit einem Gefühl irgendwo zwischen Besorgnis und Rührung zur Kenntnis.
Anouschka drängte sich neben Tim in die Bank. »Danke«, sagte sie, nahm den Becher und wärmte ihre klammen Finger daran. Erdreich klebte unter ihren Nägeln. »Wir haben in einem Waldweg Reifenspuren gefunden. Frisch. Nicht zerstört. Sie nehmen gerade Abdrücke.«
»Keine Fußabdrücke?«, fragte Hendrik.
Anou machte eine abwertende Handbewegung. »Davon gibt es mehr als genug. Wenn wir von denen Abdrücke nehmen wollen, sind wir in drei Monaten noch hier.«
Das Funkgerät gab ein quakendes Geräusch von sich. Dann meldete sich der Pilot des Hubschraubers.
»Lima Alpha an Neun acht.«
Hendrik nahm das Sprechteil und antwortete ihm.
»Kriminalrat Hendrik hier. Schön, dass ihr da seid, Jungs.«
»Klar doch«, quäkte es elektronisch verstärkt aus dem Lautsprecher. »Wo sollen wir beginnen?«
»Wo seid ihr jetzt?«
»Gleich über Ihnen.«
Im selben Moment ertönte draußen das laute Flappen der Rotoren. Am Boden des Hubschraubers flammte ein starker Scheinwerfer auf, tauchte alles in gleißendes Licht und erlosch wieder.
»Alles klar«, sagte Hendrik, »bleiben Sie hoch genug, wie suchen noch nach Spuren hier.«
»Wird gemacht.«
»Fangen Sie bitte auf dieser Seite der Bahngleise an. Ziehen Sie konzentrische Kreise bis zu dreißig Kilometer Durchmesser. Verstanden?«
»Verstanden. Geht sofort los.«
Das Rotorengeräusch wurde leiser, während sich der Helikopter entfernte.
»Hoffentlich haben die Glück«, sagte Anou.
Der Kommandant des Hubschraubers drehte sich in seinem Sitz herum und sah den Luftbeobachter an, der hinter ihm saß. Alle trugen gegen den Lärm Kopfhörer und konnten sich nur über Bordsprechfunk verständigen.
»Sieht nicht gut aus, oder?«
Der Luftbeobachter hatte eben die Infrarotkamera aktiviert, die am Unterboden montiert war. Er schüttelte den Kopf. »Die Luft ist kalt, das hilft natürlich, aber … schauen Sie sich diesen Wald an. Wie sollen wir hier etwas finden?«
»Lasst es uns versuchen«, sagte der Kommandant. Er ahnte, dass es hoffnungslos war. Aber vielleicht hatten sie
Glück. Die Laubbäume hatten noch keine Blätter, und die Fichten und Kiefern waren längst nicht so dicht. Hin und wieder würden die Infrarotstrahlen bis zum Waldboden durchkommen. Das Ganze glich der berühmten Suche nach der Nadel im Heuhaufen.
Der Pilot hielt sich an die Anweisungen, die sie vom Boden bekommen hatten. Er flog zunächst in südlicher Richtung in hundertfünfzig Metern Höhe eine lange Rechtskurve. Gegen den leicht vom Mondlicht erhellten Nachthimmel nahm sich der Wald wie ein schwarzes Meer aus. Er zog sich scheinbar endlos dahin. In vier bis fünf Kilometer Entfernung waren ein paar einsame Lichter der Straßenbeleuchtung von Friedburg zu erkennen.
»Siehst du was?«, fragte der Kommandant den Beobachter.
»Das hat uns noch gefehlt.«
»Was ist?«
»Da unten gibt es jede Menge Wild. Sehen Sie selbst mal rein.«
Der Kommandant drehte sich mit seinem Stuhl, beugte sich hinüber und warf einen Blick auf den Monitor. Das Bild war schwarz, aber in dieser Schwärze bewegten sich mit schneller Geschwindigkeit helle Flecken. Sie stoben davon, verschwanden zwischendurch unter dem Baumdach und kamen wieder hervor.
»Scheiße«, sagte der Kommandant.
»Was ist das?«
Nele beugte sich tiefer über die Karte. Trotz der guten Beleuchtung war es nicht ganz einfach, die kleine Schrift zu lesen. Ihr war ein schraffierter Bereich aufgefallen, weit im Süden, eigentlich schon außerhalb des aktuellen Suchgebietes.
Ein ausgedehntes Waldstück, dass im Osten von der Bahnstrecke scharf beschnitten wurde. Eibia stand dort, der Rest ging in einem Kaffeefleck älteren Datums unter.
»Was ist Eibia«, fragte Nele ohne aufzusehen.
»Keine Ahnung«, antworteten Hendrik und Siebert unisono.
»Wie weit ist das entfernt?«
»Ungefähr achtzehn Kilometer Luftlinie.«
»Ist der Chef der Taxifahrerin noch hier?«, fragte Nele.
»Der geht so schnell nicht weg«, antwortete Anou.
»Hol ihn mal her.«
Sie verschwand.
»Was hast du vor?«, fragte Tim.
»Taxifahrer kennen die Gegend meist besser als jeder andere. Der Mann weiß bestimmt, was Eibia ist.«
»Warum sollte das wichtig sein?«, fragte Hendrik.
Nele zuckte mit den Schultern. »Ist nur so ein Gedanke. Es liegt an der Bahnstrecke … wer
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