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Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde

Titel: Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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zu dunkel. Die monströsen Scheinwerfer richteten nichts aus gegen die Finsternis eines nächtlichen Waldes. Alle Spuren, die sich eventuell hinter der natürlichen schwarzen Barriere befanden, würden unweigerlich verloren gehen, wenn es zu regnen begann. Der
Wetterdienst hatte weiteren Regen für die frühen Morgenstunden angekündigt. Es war frustrierend, aber sie konnten nichts dagegen tun. Die Natur setzte den Ermittlungsarbeiten immer wieder Grenzen. Nele Karminter dagegen setzte alle Hoffnung in den angeforderten Hubschrauber, der mit modernster Infrarottechnik ausgestattet war. Er müsste jede Minute eintreffen.
    Enttäuscht, weil sie scheinbar wieder nicht schnell genug gewesen waren, wandte Nele sich von dem deprimierenden Bild des verwaisten Taxis ab und ging zu dem erleuchteten Bus hinüber; ein nagelneuer VW T5, für Einsatzbesprechungen und Außenverhöre ausgerüstet. Im Fond gab es einen Tisch und schmale Bänke, Funkgerät, Kaffeemaschine und einen Halogenspot, der sich tief über den Tisch ziehen ließ. In seinem Licht lag ausgebreitet eine Karte der Region. Zwei Köpfe waren darübergebeugt. Tim Siebert und Dag Hendrik.
    »Die beiden Ortsausgänge sind dicht«, sagte Tim gerade und deutete mit dem Finger auf Friedburg.
    Nele stieg in den Bus, setzte sich neben Hendrik und sah sofort, was Siebert meinte. Aber sie sah auch, dass es mehr als nur diese beiden Möglichkeiten gab, die Gegend auf mehr oder weniger einsamen Straßen zu verlassen. Und wer sich auskannte, konnte sogar noch die Feld- und Waldwege nutzen. Das Areal war alles andere als übersichtlich, und das Personal reichte nur, um die offiziellen Strecken zu kontrollieren.
    »Fällt Ihnen etwas auf?«, fragte Hendrik. Nele roch sein zu üppig aufgetragenes Aftershave, wohl ein Ersatz für eine Dusche, für die er keine Zeit gehabt hatte.
    »Was meinen Sie?«
    Er fuhr mit dem Finger auf der schwarz-weißen Linie der
Bahnstrecke entlang. »Zählen Sie mal. Von diesem Punkt aus. Zwanzig bis dreißig Kilometer in jede Richtung. Da gibt es vierzehn Bahnübergänge. Mindestens die Hälfte davon liegt genauso einsam wie dieser hier.«
    Nele war klar, worauf Hendrik hinauswollte. Was sie bis vor ein paar Stunden noch nicht hatte glauben wollen, war nun beklemmende Wahrheit geworden. Allem Anschein nach … ach, zum Teufel mit den gestelzten Formulierungen, es gab einen Serientäter, der Frauen an einsamen Bahnübergängen entführte. Und eventuell, im Falle der Prostituierten, auch aus Häusern entlang der Bahnstrecke. Sie mussten sich natürlich die Frage stellen, warum er es auf diese Art tat, warum er sich an der Bahnstrecke orientierte. Entscheidender war aber, wie sie es verhindern konnten und ob der Täter sich örtlich eingrenzen ließ. Im Moment schien es so. Die beiden Bahnübergänge lagen nahe beieinander. Die von Friedburg kommende Straße gabelte sich und verlief weiter in Y-Form. Auf einer Strecke gelangte man nach Mariensee, auf der anderen nach Altenburg und weiter über mehrere kleine Dörfer bis zur Autobahn.
    »Selbst wenn wir die alle kontrollieren – was wir auf Dauer nicht können – gibt es keine Garantie, dass er nicht ausweicht«, sagte Hendrik und zog mit dem Finger einen großen Kreis auf der Karte. »Ein riesiges Waldgebiet, ausgedehnte Heidelandschaft, wenig Ortschaften, und in dieser Jahreszeit kaum Touristen und Wanderer … geradezu ideal, um spurlos zu verschwinden.«
    Nele dachte gerade an etwas anderes. »Die Taxifahrerin kam aus Althausen, nicht wahr. Und wo wollte sie hin?«
    »Laut ihrem Chef nach Mariensee. Aus der Waldschänke kam ein Anruf. Da gab es wohl eine Versammlung«, sagte Hendrik.

    »Hm«, machte Nele und dachte nach. »Dann wäre sie also über diesen Bahnübergang gefahren, an der Y-Kreuzung abgebogen und kurz darauf über den Bahnübergang, an dem Jasmin verschwunden ist. Der Täter ist also nur geringfügig ausgewichen, gerade zwei Kilometer, und er ist dreist genug, sich dort innerhalb kürzester Zeit ein zweites Opfer zu holen. Das wirkt immer noch zufällig, wahllos, so als wäre es ihm egal, wen er bekommt, Hauptsache, eine Frau. Er scheint unter großem Druck zu stehen.«
    »Bekommt man hier einen Kaffee?« Anou war in der geöffneten Schiebetür des Busses aufgetaucht. Sie war schmutzig, ihr Haar feucht und voller Fichtennadeln. Sie sah erschöpft aus. Zusammen mit den Beamten hatte sie die nähere Umgebung im Unterholz nach Spuren abgesucht.
    »Klar!« Tim griff hinter sich, nahm die

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