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Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde

Titel: Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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Ausmaße des Geländes wurde Anou ein wenig unwohl. Sie würden sinnlos herumlaufen, wenn sie den Bereich nicht eingrenzen konnten.
    »Wie wollen wir überhaupt vorgehen?«, fragte sie Tim.
    Der zuckte mit den Schultern. »Das wird wohl ein Glücksspiel. Viel Sinn sehe ich in der Aktion sowieso nicht.
Aber man klammert sich ja an jeden Strohhalm, wenn man sonst nichts in der Hand hat.«
    Die Antwort gefiel Anouschka nicht. Tim klang wenig motiviert und stellte zwischen den Zeilen Neles Anweisung in Frage. Und vielleicht hatte er sogar recht? Sie wussten weder, wo sie suchen sollten, noch wonach. Aber es war aufgrund der kurzen Zeitabstände zwischen den Entführungen sehr wahrscheinlich, dass der Täter seine Opfer irgendwo in der Nähe festhielt. Das konnte in der Stadt sein, im Dorf oder in einem alten intakten Bunker. Es konnte aber ebenso gut überall sonst sein.
    »Wir hätten jemanden suchen sollen, der sich auf dem Gelände auskennt«, sagte Anou, als sie Friedburg in westlicher Richtung verließen.
    »Und wen?«
    »Das ist Waldgebiet. Da würde sich doch ein Jäger oder Förster anbieten.«
    Tim warf ihr einen schnellen Blick zu. »Keine schlechte Idee. Wo treiben wir jetzt auf die Schnelle einen auf?«
    Anou griff nach ihrem Handy und rief Nele an. Von ihr ließ sie sich die Nummer des Taxiunternehmers geben. Sie rief ihn an und bekam die Adresse des Hegeringvorsitzenden von Friedburg.
    »Fahr zurück«, wies sie Tim an.
    Das Haus war schnell gefunden. Es lag in einem gepflegten Wohngebiet am Ende einer Sackgasse. Der Giebel des Klinkerbaus war mit verschieden großen Geweihen geschmückt, dazwischen hingen Schützenscheiben.
    »Gruselig«, sagte Anou beim Aussteigen. »Da kann man genauso gut einen Skalp am Gürtel tragen.«
    Auf ihr Klingeln öffnete die Ehefrau des Herrn Kropke. Ihr Mann, so erfuhren sie, befinde sich auf seiner regulären
Arbeit beim Landkreis, werde aber gegen sechzehn Uhr zurück sein. Während Anou überlegte, ob sie den Mann herzitieren sollten, empfahl ihr Frau Kropke, es einmal bei Peter Schröder zu versuchen. Der Mann sei sein Leben lang Forstarbeiter gewesen, wenn sich hier einer auskenne, dann er. Peter Schröder lebte auf einem alten Gutshof außerhalb von Friedburg. Wie sich herausstellte, führte ihr Weg sie ohnehin daran vorbei.
    Zwanzig Minuten später klingelte Anou an dessen Tür. Sie wurde geöffnet von einem hageren, hochgewachsenen Mann mit hängenden Schultern, aber außerordentlich kräftigem Händedruck. Peter Schröders Hände fühlten sich wie Sandpapier an, seine Stimme klang, als würde er seine Kehle damit pflegen, und sein Gesicht war eine Ansammlung von Furchen und Rinnen mit eingelagerten Schatten. Dass dieser Mann sein Leben draußen verbracht hatte, stand au ßer Frage.
    Er war natürlich längst telefonisch von Frau Kropke informiert worden und erklärte sich sofort bereit, sie auf dem Eibia-Gelände herumzuführen. Er fuhr bei ihnen mit und war sichtlich aufgeregt.
    »Erzählen Sie doch mal was über diese Fabrik«, bat Anouschka ihn während der Fahrt.
    Schröder lehnte sich zwischen den Sitzen vor und holte tief Luft. Anou registrierte es mit einem versteckten Lächeln. Der alte Mann lief zu Hochform auf. Endlich wurde er mal wieder gebraucht, endlich konnte er sein Wissen weitergeben.
    »Wo soll ich denn anfangen? Die Eibia-Pulverfabrik hat eine bewegte Geschichte. Gibt es irgendwas, das Sie besonders interessiert?«
    »Erzählen Sie einfach ein bisschen.«

    »Die Nazis haben sie gebaut, ich glaube 1938 haben sie damit begonnen. Eine gigantische, im Wald versteckte Anlage zur Herstellung von Nitrocellulosepulver. Mehr als zweihundertfünfzig Gebäude verteilten sich damals auf einer Fläche von vierhundert Hektar. In den besten Zeiten, als der Krieg begann, schufteten dort eintausendachthundert Menschen. Männer und Frauen, die allermeisten Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Das war eine gefährliche Arbeit, und die Menschen wurden regelrecht verheizt.«
    »Und bis wann existierte die Fabrik?«
    »Na ja, nach Ende des Krieges gingen natürlich die Plündereien los, und die Engländer haben sich geholt, was sie brauchen konnten. Angeblich wurde da auch ein chemischer Kampfstoff hergestellt, A-Pulver hieß das Zeug. Beim Abtransport sind beschädigte Kisten einfach im Wald liegen geblieben. Die hat man nie gefunden. Liegen da heute noch. Kaum zu glauben, was? Aber richtig gesprengt wurde die Fabrik erst um 1950.«
    »Gibt es noch Bunker oder

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