Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde
Gebäude, die man betreten kann?«, fragte Tim.
Der alte Schröder zuckte mit den Schultern. »Drei erhaltene Gebäude werden von der Forstwirtschaft genutzt, als Lagerräume. Aber die sind abgeschlossen. Es gibt überall Trümmer, Reste, Teile von Gebäuden, Schächte … sicherlich auch unterirdische Bunker, nur dass die keiner mehr findet.«
»Unterirdische Bunker?« Anou wurde hellhörig.
Peter Schröder nickte. »Angeblich sollen etliche der Gebäude unterirdisch miteinander verbunden gewesen sein. Bei den Sprengungen ist aber vieles verschüttet worden. Dann hat es in den sechziger Jahren ein paar Unfälle gegeben.
Spielende Kinder und Spaziergänger sind in Schächte eingebrochen. Da hat der Staat noch mal nachgelegt und alle Zugänge, die zu finden waren, zugeschüttet.«
»Also kommt da heute keiner mehr rein?«
Schröder zuckte mit den Schultern.
»Würde mich wundern. Ein paar Gänge gibt es sicher noch, aber denen dürfte der Zahn der Zeit mittlerweile auch arg zugesetzt haben. Ich bin einige Male dort im Einsatz gewesen, hab aber keinen Zugang mehr gefunden – allerdings habe ich auch nicht danach gesucht.«
Sie erreichten den Waldrand, und Peter Schröder dirigierte sie zu einem kleinen, unbefestigten Parkplatz.
»Mit dem Wagen kommen sie hier nicht weiter. Die Waldwege sind durch Holzschranken abgesperrt und teilweise auch zugewuchert. Da kommt nur ein Trecker durch«, klärte er sie auf.
Der feine, eklige Nieselregen hatte zwar aufgehört, doch in dem dichten Mischwald triefte es vor Feuchtigkeit. Tim und Anou zogen ihre Regenjacken an. Der alte Schröder war mit einem ausgeblichenen Bundeswehrparka ebenfalls wetterfest gekleidet.
»Was wollen Sie überhaupt sehen?«, fragte er. »Für einen Rundgang ist das Gelände zu groß.«
Anou überlegte einen Moment.
»Diese Gebäudereste, von denen Sie sprachen, sind darunter welche, in denen man Unterschlupf finden könnte?«
Der alte Mann nickte. »Da stehen noch drei oder vier. Riesige Kästen mit bewachsenen Dächern. Ehemalige Pumpwerke und Reste eines Kraftwerkes. Dieser dicke Beton ist widerstandsfähig. Sind aber schwer zu finden.«
»Wenn Sie hier etwas verstecken wollten, wo würden Sie das tun?«, fragte Tim den alten Schröder.
Der dachte einen Augenblick nach, wobei er die Unterlippe überstülpte. »Verstecken. Was denn?«
»Waffen, Diebesgut, so ein Zeug«, schob Anou vor, bevor Tim etwas anderes sagen konnte.
»In den Forstbunkern nicht, die sind verriegelt.«
»Also die anderen.«
»Kann ich mir auch nicht vorstellen. Ich als Gauner würde doch nicht einen so langen und mühsamen Weg auf mich nehmen, um meine Beute in einem feuchten Betonbunker unterzubringen, der für jeden anderen offen steht.«
Schröder glaubte ihnen nicht, und das konnte Anou ihm nicht mal übel nehmen. Die Ausrede war auch einfach zu blöd. Trotzdem wollte sie ihm nichts über ihren Verdacht sagen. Dafür war er einfach zu vage.
»Macht nichts, wir wollen uns die Bunker trotzdem ansehen«, sagte sie, vermied es dabei aber, ihn anzuschauen.
»Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass ich sie auf Anhieb finde.«
»Ohne Sie würden wir sie gar nicht finden, oder?«
»Ohne mich würdet ihr euch hier hoffnungslos verlaufen, Mädchen«, sagte der alte Schröder nicht ohne Stolz und marschierte los.
Tim und Anou folgten ihm.
Bevor er die Stadt verließ, um zu seinem Versteck unter der Erde zurückzukehren, hielt er an der Ausfallstraße bei einem der großen Supermärkte. Er ärgerte sich über den Zwischenstopp, war er doch der festen Überzeugung, beim letzten Einkauf zwei Flaschen mitgenommen zu haben. Trotzdem brauchte er schon wieder Nachschub. Entweder irrte er sich, oder er hatte eine an der Kasse liegen gelassen oder sie irgendwo verloren, vielleicht im Wald. Gestern
Nacht hatte er eine ganze Flasche gebraucht. Ihr Körper war üppiger, ihre Haut älter, sie saugte das Öl auf wie ein trockener Schwamm Wasser … außerdem hatte es ihm aus einem nicht nachvollziehbaren Grund bei ihr mehr Freude bereitet und er war großzügiger mit dem Öl umgegangen, als es notwendig gewesen wäre.
Vor dem Regal mit den Körperpflegeartikeln überlegte er kurz, ließ dann aber seinen Grundsatz, nicht mehr als zwei Flaschen zugleich zu kaufen, außer Acht, ergriff vier Flaschen und ging damit zur Kasse. Die Kassiererin sah nicht einmal zu ihm hoch, während sie die Barcodes über den Scanner zog. Eine entsetzlich fette, hässliche Kuh, auf der sein Blick
Weitere Kostenlose Bücher