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Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde

Titel: Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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nichts.«

    Anou strich ihr über den Unterarm. »Aber es liegt nicht an mir, oder? Denn wenn es so ist, musst du es mir sagen. Ich will auf keinen Fall deiner Arbeit im Wege stehen. Gestern Abend habe ich darüber nachgedacht, ob es nicht besser wäre, mich versetzen -«
    »Red keinen Unsinn. Daran liegt es nicht. Das ist nur dieser Fall. Wir kriegen das schon hin.«
    »Wirklich?«
    »Wirklich.«
    »Sehen wir uns dann heute Abend?«
    »Wenn nichts dazwischenkommt, auf jeden Fall. Ich komm dann zu dir, ja. Ich brauche sowieso mal einen Tapetenwechsel.«
    »Geht klar, ich freu mich.« Anou beugte sich rasch zu ihr rüber und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. Eine Berührung wie der Flügelschlag eines Schmetterlings, kaum spürbar und doch intensiv genug, um sofort ein wenig Last von ihren Schultern zu nehmen. Die Kopfschmerzen vermochte dieser Kuss nicht zu vertreiben, aber als Versprechen und Verlockung für den nahenden Abend war er trotzdem so etwas wie Medizin für ihre Seele. Nele wünschte sich, ihr Täter möge auch an diesem Abend still verharren, allerdings wünschte sie es sich für sich selbst und nicht um etwaiger Opfer willen. Das war egoistisch, natürlich, aber schließlich war sie auch nur ein Mensch.
    Der Paketfahrer entpuppte sich als braun gekleideter Angestellter von UPS. Jung, mit kräftigen Kiefern, die einen Kaugummi zermalmten, als gelte es, einen darin befindlichen Gegner zu töten. Passend zu seiner Kleidung war er braun gebrannt, trug sein Haar extrem kurz und verhielt sich auffallend nervös.
    Nach eigener Aussage kam er in diesem Gebiet viel herum,
weil es eben sein Auslieferungsgebiet war, und auch wenn er nicht von hier, sondern aus Lüneburg kam, würde ihm doch ein Wagen auffallen, der sonst nicht hier herumfuhr. Und eben solch ein Wagen war ihm in den letzten Wochen aufgefallen, richtig bewusst war ihm das aber erst geworden, nachdem er heute in der Früh die Zeitung mit dem Aufruf und der Warnung gelesen hatte. An die Marke könne er sich genau erinnern, ein dunkelgrüner älterer Ford Mondeo Turnier, nicht sehr gepflegt, mit abgebrochener Radioantenne. Wegen der Antenne sei er ihm eigentlich nur aufgefallen. Und weil er immer sehr früh unterwegs war. Nein, von dem Kennzeichen wisse er nur, dass es aus Lüneburg stamme und ansonsten, dass auf jeden Fall ein Mann mit blondem Haar hinter dem Steuer gesessen sei. Blond, auf jeden Fall blond, dass wisse er genau. Und die abgebrochene Radioantenne, das wisse er auch genau. Und ob es vielleicht eine Belohnung gäbe, wenn aufgrund seiner Hinweise der Gesuchte verhaftet würde, das würde ihn natürlich interessieren.
    Die gab es natürlich noch nicht, was Nele ihm auch sagte, sich bedankte und den Wiederkäuer einem Kollegen überließ, der die Personalien aufnahm.
    Anouschka und Nele besorgten sich lauwarmen Kaffee und zogen sich in die hinterste Ecke des großen Raums zurück, in dem sonst Trauungen und Ratsversammlungen abgehalten wurden. Durch Stellwände, die gleichzeitig als Pinnwände fungierten, war dort hinten ein kleiner Bereich abgetrennt, gerade genug Platz für einen Tisch mit sechs Stühlen. Auf dem Tisch standen noch schmutzige Tassen, Löffel klebten in ihrem Sud aus Kaffee und Zucker auf der furnierten Platte. Gegenüber, so dass sie sich anschauen konnten, ließen die beiden sich auf zwei Stühle fallen. Einen
Moment schwiegen sie und tranken. Im Hintergrund klingelten Telefone, wurden Gespräche geführt und beendet.
    Nele rieb sich das rechte Auge. Der Kopfschmerz wollte nicht nachlassen. Aus ihrer Tasche holte sie eine angebrochene Schachtel Aspirin, drückte zwei Tabletten heraus und spülte sie mit dem fast kalten Kaffee hinunter.
    »Geht es?«, fragte Anou.
    Nele nickte. »Ja, geht schon. Ich kann nur nicht klar denken, wenn ich Kopfschmerzen habe.«
    »Das kenne ich. Was hältst du von dem Typ eben?«
    »Den Typ selbst finde ich abstoßend, aber was er gesagt hat, klingt interessant. Diese Jungs kommen ganz schön herum, ich kann mir gut vorstellen, dass der einen auffälligen Wagen bemerkt.«
    »Leider hat er sich das Kennzeichen nicht gemerkt … manchmal frage ich mich, wofür es die Dinger überhaupt gibt, schaut ja doch kaum einer hin. Grüner Ford Mondeo Kombi … davon dürfte es eine ganze Menge im Bezirk Lüneburg geben.«
    »Richtig, deshalb müssen wir anders vorgehen. Sobald meine Kopfschmerzen weg sind, machen wir beide uns auf den Weg. Fragen den Metzger, den Bäcker, den Pfarrer, die Lehrer, die

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