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Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde

Titel: Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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geschafft, die Fäden die ganze Nacht über in der Hand zu halten und nicht zusammenzuklappen. Nur dank des Kaffees und Adrenalins war ihr das gelungen, doch jetzt, wo das erste Tageslicht sich durch einen grau verhangenen Wolkenhimmel kämpfte, spürte sie, wie ihre Kräfte schlagartig nachließen. Sie brauchte unbedingt eine Stunde Schlaf, eine Dusche und ein gutes Frühstück.
    Dag Hendrik, der in der Nacht noch eingetroffen war, nahm sie zur Seite.
    »Sie sollten eine Pause einlegen«, sagte er. Es war wohl offensichtlich, wie Nele sich fühlte.
    Sie schüttelte den Kopf. »Kann ich nicht. Nicht, solange meine Kollegin verschwunden ist.«
    Hendrik ließ ihren Oberarm nicht los. Sein Griff war sanft, aber fordernd.
    »Und wenn sie Tage verschwunden bleibt? Hören Sie, Frau Karminter, Sie können Frau Rossberg jetzt am besten
helfen, wenn Sie sich ein wenig ausruhen und neue Energie tanken. Wenn es hart auf hart kommt, brauche ich Sie topfit.«
    Nele wusste, dass er recht hatte. Trotzdem fühlte sie sich wie eine Verräterin, so als ob sie Anouschka im Stich ließ, als sie schließlich zustimmend nickte.
    »In Ordnung. Ich fahre für zwei Stunden nach Hause.«
    »Das ist vernünftig. Ich halte hier für Sie die Stellung. Sie können sich auf mich verlassen.«
    Hendrik lächelte sie an. In diesem Augenblick fand sie ihn richtig sympathisch. Er war ein wenig zerzaust, ebenfalls nicht ausgeschlafen und unrasiert. Genau wie alle anderen aus ihrem Team steckte er richtig tief mit drin und betrachtete den Fall nicht nur vom Schreibtisch aus. Das gefiel ihr. Hendrik würde einen guten Chef abgeben.
    Sie verabschiedete sich und verließ das Haus. Auf dem Weg zum Wagen hielt sie nach Tim Siebert Ausschau, fand ihn aber nicht. Eckert Glanz sprach vor dem Haus mit einem uniformierten Beamten. Nele nahm ihn kurz beiseite.
    »Ich fahre für zwei Stunden nach Hause«, informierte sie ihn. »Ruf mich auf jeden Fall an, wenn sich etwas tut. Hast du Tim gesehen?«
    Eckert nickte. »Der ist vor einer Stunde weggefahren. Hat gesagt, er müsste im Büro was überprüfen.«
    Nele wunderte sich darüber, dass Tim sich nicht bei ihr abgemeldet hatte, aber sie war viel zu müde, um sich darüber länger als ein paar Sekunden Gedanken zu machen. Sie verabredete mit Eckert, dass er eine Pause einlegen würde, sobald sie wieder vor Ort war, setzte sich dann in ihren Wagen, der noch immer an dem Platz unter der Laterne stand, wo sie ihn vor einigen Stunden voller Vorfreude auf einen Abend mit Anouschka abgestellt hatte.

    Tränen rannen ihr aus den Augen, als sie die Straße hinunterfuhr.
     
    Im Dezernat hatte Tim Siebert sich nicht lange aufgehalten. Aus dem Stahlschrank im Flur hatte er eine starke Taschenlampe mit neuen Batterien geholt und auch die Karte mitgenommen, die noch immer auf Anouschkas Schreibtisch lag. Regenjacke und schwere Stiefel befanden sich vom letzten Ausflug noch im Kofferraum seines Wagens. Bevor die ersten Beamten im Präsidium eintrafen, machte er sich auf den Weg.
    Er würde den gigantischen Bunker suchen und sich eingehender damit beschäftigen. Vielleicht gab es einen Zugang, eventuell unter der Erde, den sie beim ersten Mal nicht gesehen hatten, weil er nicht gesehen werden sollte.
    Während der Fahrt versuchte er, sich Gründe für sein eigenmächtiges Handeln zurechtzulegen. Er verstieß gegen Dienstvorschriften, ganz klar, er brachte sich selbst in Gefahr, keine Frage, und doch konnte er nicht anders handeln. Er redete sich ein, es würde zu lange dauern, seine Chefin davon zu überzeugen, wegen der Ölflasche das Gelände durchsuchen zu lassen. Zu lange für Anouschka. Außerdem würde ein großer Auflauf den Täter erschrecken und zu ungewollten Handlungen zwingen.
    Alles tolle Argumente, die sich nach außen hin gut anhörten und zum Teil auch richtig waren, aber letztlich war es nur ein einziger Grund, eine einzige Wahrheit, die ihn so handeln ließ. Anouschka Rossberg! Er war ein Mann, er war in sie verschossen und wollte für sie den Helden spielen. So einfach war das Ganze.
    Nach knapp einer Stunde und ohne sich in dem Waldgebiet zu verfahren, erreichte er den Schotterparkplatz, auf
dem er schon beim letzten Mal geparkt hatte. Er schrieb auf einen Zettel die Uhrzeit seiner Ankunft und wo er zu finden sein würde, und legte ihn so auf den Fahrersitz, dass Kollegen, die nach ihm suchten, ihn sehen mussten. Wenigstens diese kleine Sicherheitsmaßnahme musste er treffen – falls sein eigenmächtiges

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