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Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde

Titel: Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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zu dem Ergebnis führen, dass es Anouschkas Schuhe waren, die sie jetzt gerade trug.
    Sie mussten handeln! Jede Minute, die sie hier tatenlos verbrachten, war ein Martyrium für Anouschka Rossberg. Tim ging ins Bad und schloss die Tür hinter sich. Augenblicklich wurde es etwas ruhiger. Er stützte sich auf den Rand des Waschbeckens und sah sich selbst im Spiegel an. Müde sah er aus, dunkle Bartstoppeln wucherten, wo sie nicht hingehörten, sein sonst stets perfekt getrimmter Bart lief aus dem Ruder, doch er sah sein Spiegelbild kaum, denn ein Gedanke spukte in seinem Kopf herum, ließ ihn nicht mehr los.
    Er übersah etwas! Sie alle übersahen etwas. Etwas Naheliegendes! Aber was nur?
    Um sich abzulenken drehte er den Wasserhahn auf, ließ das Wasser laufen, bis es richtig kalt war, und schöpfte es sich ins Gesicht. Das tat gut. Er fühlte sich sofort wacher.
Er trocknete sich ab und ließ seinen Blick durchs Bad wandern. Ein Badezimmer ist immer ein intimer Ort, in dem man viel über den Menschen erfahren kann, der ihn benützt. All die Utensilien, die Schminke, Cremes, Lotions, vielleicht Zeitschriften in der Nähe der Toilette, Medikamente …
    Tim verharrte. Irgendwas in seinem Gedankengang ließ ihn aufhorchen. Als würde er einen Film rückwärtslaufen lassen, betrachtete er nochmals die Ablage über der Badewanne, über die sein Blick eben schon geglitten war. Mit dem geschulten Auge eines Ermittlers taxierte er jeden Gegenstand, bewertete ihn, entschied im Bruchteil einer Sekunde, ob er eine Rolle spielte oder nicht. Als er bei der blauen Flasche anlangte, wurde ihm heiß und kalt gleichzeitig. Er ging hin und nahm die Flasche in die Hand.
    Babyöl!
    Die gleiche Marke, die sie gestern in der Nähe des Bunkers im Wald gefunden hatten. Tim hatte es fast vergessen, weil sich sonst niemand im Team dafür interessierte. Was aber, wenn es doch eine Bedeutung hatte? Was, wenn es wirklich ihre einzige Spur war, und sie erkannten sie nicht, weil sie zu banal war. Dort im Wald hätte der Täter jede Möglichkeit gehabt, ihn und Anouschka zu beobachten, ihnen zu folgen, ihr womöglich bis nach Haus zu folgen.
    Eine neue, ungeöffnete Flasche Babyöl gelangte nicht einfach so in den Wald, und jetzt war der falsche Zeitpunkt, um an Zufälle zu glauben. Jetzt war der Zeitpunkt, um an das Unmögliche zu glauben!
     
    In der weiten, stillen Halle brannte nur eine einzige Kerze. Ein winziges Lichtlein, das tapfer die Dunkelheit fraß, sie aber doch nicht besiegen konnte und am Ende verlieren
würde, so wie alles Licht am Ende gegen die absolute Finsternis verlieren musste.
    Er selbst saß im Dunkeln.
    Die Kerze hatte er so neben sie gestellt, dass ihr Licht sie in einen schützenden Kokon hüllte. Er hatte sie entkleidet und eingerieben, jetzt hing sie schlaff in den Ketten, wurde gestreichelt von dem warmen Licht, das wie flüssige Bronze über ihre dunkle, schokoladenfarbene Haut floss. Den kleinen Anhänger mit dem roten Stein, den sie trug, hatte er ihr gelassen, denn damit wirkte sie noch perfekter, und je länger er sie betrachtete, umso sicherer wurde er, dass sie das absolute Bildnis war. Nichts danach würde dies hier übertreffen.
    Sie hatte die Figur einer Gazelle. Schlank, mit sehnigen, trainierten, aber nicht zu kräftigen Muskeln. Die Hüfte eines Knaben, mit einem dunklen Büschel zwischen den Beinen, einem langgezogenen Bauchnabel und festen, nicht zu großen Brüsten. Die Oberschenkel geformt wie der Trichter eines Gefäßes, die Waden wie schlanke Tropfen, die daraus hervorquollen. Ihr Gesicht wirkte entspannt, fast friedlich.
    Genussvoll hatte er ihren Körper mit dem Öl eingerieben. Nichts würde die Erregung je steigern können, die er dabei empfunden hatte. Einzig sein körperliches Unvermögen, auf diese Erregung zu reagieren, hatte ihn etwas verstimmt. Aber das machte nichts. Wenn sie erst einmal erwacht war, würde sie ihm dabei helfen, alles nachzuholen.
    Mit ihr würde er sich Zeit lassen.
    Sie war perfekt.

6.
    Tag, morgens
    Keiner hatte geschlafen, allerhöchstens im Sitzen mal ein paar Minuten gedöst. Nele und ihre Mannschaft waren unzufrieden und gereizt, alle hofften auf ein Wunder. Im Laufe der Nacht hatte sich an der Situation nichts geändert. Anou blieb verschwunden. Der Ringfahndung gingen zwei schon länger gesuchte Betrüger, achtzehn Betrunkene und vier Fahrer ohne Führerschein ins Netz – aber niemand, der Anou entführt hatte.
    Verzweiflung machte sich breit.
    Nele hatte es

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