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Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde

Titel: Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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ein Zeichen.
    Nele lief mit Hendrik und Eckert die Treppen hinauf. Borrmann, der in der Tür auf sie wartete, schüttelte den Kopf.
    »Niemand da.«
     
    Die Dunkelheit war allgegenwärtig und verschluckte die Zeit. Hier unten tickten keine Uhren, hier ging die Sonne weder auf noch unter, und die Tage endeten niemals. Einzig das Hungergefühl ließ ihn erahnen, dass in der Welt über der Erde die Zeit weitergerast war.

    Er hatte nicht an Nahrung gedacht. In seinem Eifer und seiner Vorfreude hatte er es schlicht vergessen, und während ihrer Bewusstlosigkeit hatte er sich nicht getraut, sein Versteck zu verlassen. Nein, das war nicht ganz richtig, getraut hätte er sich schon, doch hatte er nicht die Kraft besessen, seinen Blick von diesem wunderschönen Körper zu nehmen, so unschuldig und verwundbar, solange sie in den Fesseln hing.
    Bis heute hatte er seine Mutter für die schönste Frau der Welt gehalten, trotz ihres Verrates, trotz dessen, dass sie ihn alleingelassen hatte, doch seine neueste Errungenschaft stellte alles in Frage. War sie es, nach der er gesucht hatte? Oder würde alles in sich zusammenfallen, wenn sie erwachte und ihre Persönlichkeit offenbarte? Und wenn dem so sein würde, wäre es dann für die Zukunft nicht besser, sie zu töten, solange sie noch perfekt war? Nackt und eingeölt in Ketten hängend?
    Diese Gedanken verwirrten ihn.
    Noch immer brannte nur die eine Kerze, die er in ihrer Nähe positioniert hatte. Er selbst saß im Dunkel, nackt so wie sie, und beobachtete. Jede noch so kleine Veränderung bemerkte er sofort, und in seinen Lenden begann es zu brennen, als ihre Lider erst zaghaft und dann hektisch flatterten. Er beugte sich auf seinem Stuhl vor und fixierte ihre Augen. Sie war die Schönste von allen, die Perfekteste, doch dieser Moment, in dem sie erwachten und sich Angst und Entsetzen in die Augen schlichen, war bei allen gleich interessant. Vielleicht war dies sogar der beeindruckendste Moment, intensiver noch als das Sterben.
    Langsam, schwerfällig, als kämpfe sie dagegen an, öffnete sie ihre Lider. Große, dunkle Augen lagen dahinter, das Licht der Kerze schien sich in ihnen zu verlieren, reichte
gerade noch aus, um erkennen zu können, wie sie sich veränderten. Zunächst war nichts weiter darin als Unverständnis, und er konnte beinahe ihre Gedanken hören:
    Wo bin ich? Wie bin ich hierhergekommen?
    Es dauerte nach seiner Erfahrung ein paar Sekunden, ehe das Chloroform ihr Gehirn vollends freigab und die Erkenntnis mit der Wucht eines Schlages eintrat. Das war auch bei dieser Schönheit nicht anders. Ihre dunklen Augen weiteten sich vor Entsetzen. Wie bei einem ängstlichen Tier hetzten die Pupillen von einer Seite zur anderen, hektisch, einer Panik nahe. Vor Schmerzen stöhnend drückte sie ihre Beine durch, um die Schultern und Arme zu entlasten. Ihre Silhouette änderte sich dabei, blieb aber immer noch grazienhaft schön. Sie testete die Ketten, rüttelte daran, erkannte aber schnell, dass da nichts zu machen war. Schließlich sah sie nach vorn. Direkt zu ihm.
    Hatte sie ihn entdeckt? Nein. Das konnte nicht sein, er war eins mit der Dunkelheit.
    »Wer ist da?«, rief sie, erstaunlich laut und kräftig, nicht so verängstigt, wie die anderen es getan hatten.
    »Ich bin Polizistin, machen Sie mich sofort los.«
    Das amüsierte ihn. Sie war nackt und gefesselt, versuchte aber trotzdem, ihre Autorität auszuspielen. Hier unten aber gab es keine Autorität außer der seinen, niemand erteilte ihm hier Befehle. Hier herrschte er, und das würde sie noch lernen. Er bewegte sich leicht auf seinem Stuhl, so dass sie das Knarren des Holzes hören musste. Sofort zuckte sie zusammen und versuchte durch Drehen des Kopfes herauszufinden, von wo genau das Geräusch gekommen war.
    »Zeigen Sie sich. Ich will Sie sehen!«
    Zumindest diesen Wunsch wollte er ihr erfüllen.
    Langsam stand er auf, nahm die Schachtel mit den
Streichhölzern, riss eines an und entzündete eine Kerze nach der anderen. Er hätte auch ein Feuerzeug benutzen können, doch liebte er den schwefeligen Geruch von Streichhölzern und fand den Akt an sich romantischer, als er mit einem Feuerzeug je hätte sein können. Während es in der unterirdischen Halle immer heller wurde, vermied er bewusst, ihr sein Gesicht zu zeigen. Erst als genug Kerzen brannten, holte er einmal tief Luft und drehte sich um.
    Es war wie bei den anderen auch. Sie zuckte erschrocken zusammen, sofort fixierte ihr Blick den großen Dildo, als

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