Tief in meinem Herzen
Verlust von Nicolo ihn fast umgebracht hatte. Ein weiteres Kind zu lieben würde für ihn vor allem eines bedeuten: Angst. Seine Erfahrungen hatten ihn gelehrt, dass Liebe wehtat. Es wäre wohl besser für ihn, wenn sich herausstellte, dass Sophie nicht sein Kind war. Aber solange das nicht feststand, wollte er, dass sie hier im Schloss blieb.
Also würde auch Beth Granger hierbleiben müssen. Er wusste nicht so recht, wie er sie einordnen sollte. Es erschien ihm unglaublich großzügig von ihr, dass sie sich um das Kind ihrer verstorbenen Freundin kümmerte. Schließlich war sie noch sehr jung. Er schätzte sie auf Anfang zwanzig. Und ihrer schäbigen Kleidung nach zu urteilen, war sie nicht gerade reich. Hatte sie sich tatsächlich nur aus reiner Gutmütigkeit bereit erklärt, sich des Kindes einer anderen Frau anzunehmen?
„Mr Piras, ich möchte Ihnen wirklich keine Umstände machen. Gerade heute Abend, wo Sie sich um Ihre Gäste kümmern müssen“, entgegnete Beth atemlos. „Das Hotel hat für Sophie bereits ein Kinderbett organisiert, und ich habe auch unser gesamtes Gepäck dort gelassen.“
„Machen Sie sich keine Sorgen, ich werde einen meiner Mitarbeiter schicken, der Ihre Sachen holt“, antwortete Cesario und kniff seine Augen zusammen. Offensichtlich legte es die junge Dame auf eine Diskussion mit ihm an. „Es regnet immer noch sehr stark. Sie möchten doch nicht etwa wieder hinaus ins Unwetter mit dem Kind? Ich lade Sie und Sophie ein, meine Gäste zu sein.“ Er zögerte einen Moment. „Unter den gegebenen Umständen wäre es vielleicht auch angemessen, auf überflüssige Förmlichkeiten zu verzichten. Darf ich Ihnen das Du anbieten?“
„Und wo soll Sophie schlafen?“, fragte Beth ausweichend. „Ich habe den Kinderwagen dabei, aber ich möchte sie nicht die ganze Nacht darin liegen lassen. Sie könnte zu leicht herausfallen.“
„Das ist kein Problem. Das Schloss verfügt über ein komplett ausgestattetes Kinderzimmer.“
Es war lange her, dass Cesario diesen Raum betreten hatte. Einen Moment lang sträubte sich alles in ihm dagegen, ein fremdes Kind in der antiken handgeschnitzten Wiege schlafen zu lassen, in der Nicolo immer gelegen hatte. Aber er konnte es auch nicht verantworten, einem Baby einen sicheren Schlafplatz zu verweigern.
„Ich will Ihnen nicht zur Last fallen“, versicherte Beth nun mit zunehmender Verzweiflung in der Stimme. Langsam fiel ihr keine Ausrede mehr ein, warum sie und Sophie nicht in Cesarios Schloss übernachten konnten. Von draußen peitschte noch immer der Regen gegen die Fenster, und sie hörte den Wind um die Turmzinnen heulen. Vielleicht hatte er recht. Sophie zuliebe sollte sie an diesem Abend besser nicht mehr das Schloss verlassen. Wenn der geheimnisvolle Hausherr des Castello del Falco nur nicht eine derart irritierende Wirkung auf sie hätte …
Während ihres Gesprächs war sie sich seiner männlichen Ausstrahlung unnatürlich deutlich bewusst gewesen. Er lehnte so lässig am Kamin, dass ihr Blick von seiner großen eindrucksvollen Statur magisch angezogen wurde. Unter seinen eng sitzenden schwarzen Hosen zeichneten sich seine ausgeprägten Oberschenkelmuskeln ab, und sein weißes Hemd war aus so feiner Seide, dass sie seine dunkle Brustbehaarung darunter erahnen konnte.
Als sie den Kopf hob, um ihn anzusehen, errötete sie. Er hatte sie dabei beobachtet, wie sie ihn musterte. Sicher war er es gewöhnt, dass Frauen fasziniert von ihm waren. Die auffällige Narbe auf seiner Wange ließ ihn jedenfalls nicht weniger attraktiv wirken. Von der düsteren Sinnlichkeit, die er ausstrahlte, und dem Hauch Verwegenheit ganz zu schweigen. Die Mischung löste ein seltsames Kribbeln in Beth aus. Eine Sehnsucht nach etwas, das sie nicht in Worte fassen konnte. Dieser ausgesprochen maskuline Mann schien es jedoch zu besitzen.
Was ist bloß los mit mir? fragte sie sich nervös, als vor ihrem geistigen Auge eine erschreckend real wirkende Vision davon auftauchte, wie Cesario Piras sie leidenschaftlich küsste. Wie es sich wohl anfühlen würde, gegen seine breite Brust gedrückt zu werden und seine Lippen auf ihren Lippen zu spüren? Für eine Frau von vierundzwanzig Jahren war sie ziemlich unerfahren. Seit ihr Vater sie und ihre kranke Mutter verlassen hatte, war es unmöglich für sie gewesen, noch einmal einem Mann zu vertrauen. Zwar hatte sie während der letzten Jahre einige Verabredungen gehabt, aber es war nie etwas Ernstes daraus geworden. Und zu mehr
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