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Tief

Tief

Titel: Tief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Croft
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Kamerawinkel neu ein. Roddy glaubte etwas zu sehen, kurz bevor der Bildschirm in einen anderen Winkel ging.
    »Warten Sie, schalten Sie noch einmal zu der vorigen Kamera zurück. Welche war das?«
    »Am Heck, Sir.«
    Roddy sah aufmerksam hin. »Nein, nichts.«
    »An Backbord ist etwas, Sir«, sagte der andere Kadett, Drew.
    Eine amorphe Form huschte vorbei, monoton, kaum sichtbar im Meeresboden.
    »Was ist das?«, fragte Kate.
    »Das kann ich nicht sagen, es ist weder nah noch deutlich genug.«
    Unbehaglich fragte sich Roddy, was er wohl gesehen haben mochte. Kapitän Gerhardie, der kurz in der Kommandozentrale gewesen war, kam wieder in die Offiziersmesse.
    »Wir sind nur noch hundert Meter von den Walen entfernt.«
    »Okay«, murmelte Falkland kurz darauf, »da sind sie.«
    Die Pottwale befanden sich über der Benthal-Grenzschicht, ihre Unterseiten waren unsichtbar wie der Kiel eines Boots in einem schmutzigen See. Als die Tenacious nur noch fünfzehn Meter von ihnen entfernt war, bewegten sie sich – und das U-Boot glitt in eine neue Dimension. Die Landschaft veränderte sich völlig. Jemand sagte: »Das gefällt mir nicht.« Kommandant Gerhardie kniff die Augen zusammen. Seine Handflächen wurden feucht. Diese Möglichkeit hat niemand erwähnt, dachte er. Das war nicht vorgesehen …
    Sammy Gale, der Offizier für Taktik und Sonar, kam in die Offiziersmesse.
    »Alle Sonar- und Funksysteme sind ausgefallen, Sir. Es ist, als würden wir durch Vanillesoße fahren.« Niemand antwortete ihm. Er blickte auf die Monitore und zog scharf die Luft ein.
    »Roddy?«, sagte Kate.
    Roddys Hand, die auf der Rückenlehne von Falklands Sitz lag, zuckte. Er räusperte sich nervös.
    »Häufig vorkommende, sehr primitive, vierzellige Mikroorganismen, die mit bloßem Auge kaum erkennbar sind unter, äh, normalen Bedingungen.«
    Aber das hier waren keine normalen Bedingungen. So dicht wie Äpfel in einem Eimer hingen Organismen von etwa zwei Meter Durchmesser im Wasser. Durch ihre rote, gelatinöse Form wirkten sie wie dunkle Fleischstücke oder Organe aus einem massiven Körper; ihre simplen Mechanismen, hundertmal so groß wie üblich, pochten. Die Wale und die Tenacious glitten vorsichtig durch das zarte Gewebe.
    »Seht mal da«, rief Falkland aus, »ein Fisch!«
    Aus der wogenden Fauna kam ein Coryphaenoides rupestris , ein Grenadierfisch, wie ihn Roddy noch nie gesehen hatte. Er war etwa zehnmal so groß wie normal und grauenhaft missgebildet. Sein langer Schwanz war an mehreren Stellen knotig geschwollen; als er sich mit einer Bewegung seiner übergroßen Brustflosse drehte, sah man, dass die Augen grotesk aus dem Körper hervorstanden, das eine so groß wie eine gewöhnliche Glühbirne, das andere eher wie eine verformte Neonröhre, die sich bis zum Rücken hinzog.
    »Mutationen«, flüsterte Roddy Kate zu und dachte an den anonymen Brief, den Kate von dem Fischer bekommen hatte.
    Die im Wasser hängenden Zellstrukturen wurden weniger. Immer mehr Fische kamen in Sicht, ganze Schwärme, die auf so bizarre Weise verunstaltet waren, dass sie wie Ausgeburten der Hölle wirkten. Riesige Köpfe voller Auswüchse und Beulen, die einander überlagerten. Manche waren förmlich in ihre Missbildungen eingewickelt und zogen rosa Fleischstreifen hinter sich her, dreimal so lang wie ihre Körper. Wie eine Gruppe Kriegsversehrter bewegten sie sich vorwärts, so gut sie vermochten. Manche hatten weitestgehend unversehrte Schwanzflossen, bei anderen hingen sie vor lauter Geschwüren so schwer herunter, dass sie ihre stummeligen Brustflossen als primitive Paddel benutzen mussten. Seltsam pinkfarben glühend schleppten sie sich in die finstere, geheimnisvolle Tiefe.
    Schließlich wurden die Monitore wieder klarer, und die gequälten Kreaturen versperrten ihnen nicht mehr so zahlreich die Sicht. Auch die Wale waren besser zu sehen.
    »Jetzt wissen wir es also«, sagte Kommandant Gerhardie ernst, als sei ihre Mission schon beendet.
    Hoffentlich hast du recht, dachte Roddy insgeheim, aber er war davon überzeugt, dass das Schlimmste noch vor ihnen lag. Der breite Tiefseegraben, der die östliche Seite von SONAZ durchschnitt, stand im Zentrum seiner privaten Spekulationen. Die Wale führten sie dorthin. Er war noch etwa sieben Minuten entfernt. Immer näher kam die Tenacious heran.
    »Äh«, sagte Kate und sah blinzelnd auf den Monitor.
    »Da ist etwas, Sir«, sagte Drew.
    Es dauerte einen Augenblick, bis sie begriffen, was sie sahen. Die

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