Tief
befreundet.
»Du hast mir noch nicht von deinem Assistenten erzählt«, sagte Derek schließlich.
Roddy schüttelte den Kopf. Er konnte immer noch kaum glauben, was alles passiert war und dass er jetzt eine Operation leitete, die von der ganzen Welt beobachtet wurde. Er hatte das Gefühl, sein Leben sei völlig auf den Kopf gestellt worden.
»Sie haben ihn gerade untersucht, als ich da war, der Glasgow-Koma-Test oder so. Sie wollten mich nicht zu ihm lassen. Es sieht nicht gut aus.«
»Das tut mir leid. Was für eine schreckliche Sache.«
Aus der Menge der Schaulustigen drang ein unvermuteter Jubelruf zu ihnen herüber, und weiter entfernt kreischten die Bremsen eines Autos. Im Mondlicht wirkte Roddys Gesicht geisterhaft. An seiner Nase hingen Wassertropfen von den zwei Pumpen mit Meerwasser, die vor der Küste aufgebaut worden waren.
»Derek …«
»Ja?«
»Derek, es handelt sich um ein aggressives, koordiniertes Stranden von Walen unterschiedlicher Spezies, und das ist ein einzigartiges Naturereignis mit weitreichenden Implikationen.«
»Nun ja.«
Roddy fuhr sich mit den Fingern durch die feuchten Haare. »Aber irgendwie ist es auch noch mehr als das. Es stellt alles auf den Prüfstand, was wir wissen. Heute ist der Tag, an dem sich die Beziehungen zwischen Mensch und Tier für immer verändert haben. Alles wurde über den Haufen geworfen – von den Tieren! «
Derek nickte langsam, antwortete aber nicht. Er schaute auf, als eine Frau zwischen den gestrandeten Walen vor ihnen auftauchte. Schwer atmend kletterte sie einen Kieshang hinauf. Wasser perlte von ihrem gelben Ölzeug. Sie streckte Derek die Hand hin.
»Sind Sie Derek? Hallo, ich bin Kamala Mohandhas.«
»Hi. Wie geht es den Tieren?«
»Sie sind in einem bemerkenswert guten Zustand. Ich habe mir sechs angeschaut, alle von unterschiedlichen Spezies. Der Herzschlag ist fast normal, keine offensichtlichen Zeichen von Stress. Natürlich habe ich Blutproben genommen, um sie ins Labor zu schicken – die Blutzuckerwerte könnten problematisch sein, da sie ja nichts zu fressen kriegen –, aber bis jetzt scheint es ihnen ganz gut zu gehen.«
»Mangelnde Ernährung ist jetzt noch kein Problem«, sagte Roddy. »Die meisten Arten kommen wochenlang ohne Nahrung aus.«
Kamala nickte.
»In weniger als zwei Stunden treffen wir uns mit diesem Notfallkomitee. Ich habe bereits ausführliche Gespräche mit verschiedenen Repräsentanten der örtlichen Behörden geführt, aber es gibt noch viel mehr zu tun. Wenn es euch beiden nichts ausmacht, würde ich euch gern hier an Ort und Stelle auf den neuesten Stand bringen und mir anhören, was ihr als Nächstes vorschlagt.«
»Okay.«
Roddy schwieg einen Moment lang, als ob er sich sammeln müsse.
»Alle Behörden vor Ort haben Planungsabteilungen für Notfälle im Bezirk. Bis vor zwölf Stunden hatte ich noch keine Ahnung davon, aber jetzt weiß ich ziemlich viel darüber. Sie sind bestens auf alle möglichen Notfälle vorbereitet, von geplatzten Wasserrohren im Altersheim bis hin zum nuklearen Winter in der gesamten Region. Aber einen Notfall wie diesen konnten sie sich offenbar nicht vorstellen, und sie haben absolut keine Ahnung von Walen. Wir müssen also auf jeden Fall die strategische Arbeit machen, auch wenn wir nur zu dritt sind, weil sie uns ihre Mittel nur aufgrund unserer Anleitung zur Verfügung stellen können. Ich habe mit Margaret Gilchrist gesprochen – sie ist die Verwaltungschefin der Kommunalbehörde, eine sehr fähige Dame – und mit Harry Giles, dem Bezirksplanungsbeamten für Notfälle. Wir haben beschlossen, unser Operationszentrum direkt hier am Strand zu errichten, und Margaret Gilchrist hat auf einem Medienzentrum bestanden, das in der Turnhalle des hiesigen Freizeitparks eingerichtet werden soll. Aber zunächst einmal müssen wir uns auf die allgemeine Strategie bezüglich der Wale einigen.«
»Wir müssen sie so schnell wie möglich wieder ins Wasser zurückbringen«, sagte Derek. »Das liegt doch auf der Hand, oder?«
»Nicht zwangsläufig.«
Sie blickten Roddy fragend an.
»Als ich den ersten Wal wieder ins Wasser geschickt habe, ist er mit siebenundsiebzig Freunden zurückgekommen.«
»Schon«, erwiderte Derek, »aber was ist die Alternative?«
»Ich halte es nicht nur für die falsche Entscheidung, sie morgen wieder ins Wasser zu bringen, sondern auch für technisch unmöglich. Wir bräuchten sechzehntausend Freiwillige und vierhunderttausend Liter Spülmittel. Es
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