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Tief

Tief

Titel: Tief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Croft
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Strand geworfen!«
    Fasziniert schaute Theresa auf den Bildschirm, während ihr Mann zwischen den einzelnen Kanälen hin und her schaltete. Er schien etwas zu suchen. »… die Wissenschaftler wollen durch Analyse der Gräben die Geschwindigkeit berechnen, mit der …«
    »… neunundzwanzig Zwergwale, neunzehn Pilotwale, zwölf Pottwale, sechs Finnwale, fünf Seiwale, drei Killerwale und …«
    »… keine Übertreibung, dass dies die wichtigste Nachricht seit …«
    Ungeduldig schaltete Rattigan erneut um.
    »… der Premierminister sprach den Familien der Opfer sein tief empfundenes Mitgefühl aus und versprach, keine Mühen zu scheuen, um …«
    »… kein klarer Konsens unter Meeresbiologen …«
    »… Dr. Roderick Ormond beim Verlassen des Royal Sussex County Hospital, nachdem er seinen Assistenten besucht hat, der bei dem Unglück schwer verletzt wurde …«
    Theresa wurde blass. Roddy … Roddy, dachte sie, er wird langsam grau – er sieht aus wie sein Vater. Wie geht es ihm? Ich glaube es nicht … Er kam aus dem Krankenhaus und war sofort von Journalisten umringt.
    »Sir, wie geht es Ihrem Assistenten, Sir?«
    »Kein Kommentar.«
    »Können Sie erklären, was heute passiert ist?«
    »Nein, das kann niemand erklären.«
    »Stimmt es, dass –«
    »Dr. Ormond, hat es jemals ein ähnliches Ereignis gegeben, bei dem Menschen ums Leben gekommen sind?«
    »Nein.«
    »Dr. Ormond, stimmt es, dass Sie in ein Notfallkomitee der Regierung und der hiesigen Behörden einberufen werden?«
    »Davon habe ich noch nichts gehört.«
    »Was ist mit –«
    »Tut mir leid, mehr kann ich im Moment nicht sagen.«
    »Sir!«
    »Sir, Sir!«
    »Dr. Ormond!«
    Die Kameras zeigten, wie er sich seinen Weg durch die Menge bahnte, wobei er kaum durchkam, bis die Polizei ihm half.
    Rattigan wandte sich zu seiner Frau und zog die Augenbrauen hoch.
    »Erste Liebe?«, murmelte er.
    Sie wusste, dass er sich bedroht fühlte, aber sie hatte trotzdem Angst vor ihm und konnte ihm nicht in die Augen blicken. Ich bin nichts mehr, sagte sie sich, ich fühle mich kaum noch lebendig. Er sieht mich an wie fehlerhafte Ware … Ich muss mich jetzt einfach darauf konzentrieren, aus dem Zimmer zu gehen.
    »Du bist jämmerlich«, sagte er erschöpft. »Geh zu Bett. Ich komme später nach.«
    Es war erst acht Uhr. Vorsichtig ging sie auf unsicheren Beinen zur Tür.
    »Na, mach schon. Und zieh das rosa Ding an!«, rief er ihr noch hinterher.
    Er betrachtete ihre knochige Gestalt, und plötzlich stieg schmerzhaftes Schuldgefühl in ihm auf – sie sieht aus wie ein unterernährter Zombie, dachte er. Habe ich ihr das angetan? Sie sollte keine Angst vor mir haben. Ich habe versucht, ihr alles zu geben. Wenn sie mich mögen würde, hätte sie keine Angst vor mir. Aber sie begreift es nicht.
    Liebt sie Ormond immer noch?
    Er streckte seine Beine aus. Ormond war Meeresbiologe, Experte für Wale … Warum? Wo waren sein Geld und seine Macht? Was tat er denn Gutes? Warum begreifen die Leute das nicht? Und – er verzog das Gesicht – warum bin ich so eifersüchtig? Warum war ich nie wie er, wie alle?
    Seine bitteren Gedanken drehten sich im Kreis, und er sah sich von allen ungeliebt: als Kind, als Student, als Ehemann und jetzt sogar als Vater.
    Die Bilder im Fernsehen drehten sich nur um die Wale: Aufnahmen vom Strand, Fachleute, die ernst betonten, wie wichtig es sei, die Tiere wieder ins Meer zurückzubringen; der Bruder eines Opfers, der halb wahnsinnig vor Trauer schrie, man solle die Wale genauso erschießen wie Hunde, die ein Kind zu Tode beißen; eine Wiederholung des ersten Interviews von Dr. Roddy Ormond mit Kate Gunning, bei dem er keine gute Figur gemacht hatte. Höhnisch verzog Rattigan das Gesicht und schlug mit der Faust auf die Armlehne seines Sessels. Er brauchte Erleichterung. Der misstrauische Gesichtsausdruck seiner Frau fiel ihm ein.
    Im Fernsehen waren jetzt die ausländischen Fachleute zu sehen, die ihre Meinung zu Brighton äußerten. Ernste Skandinavier, philosophische Franzosen und erregbare Italiener wurden befragt. Man zeigte zwei Japaner, die wütend fuchtelnd diskutierten. Die blöden Japsen, dachte Rattigan; so ein fanatisches Volk.
    Er wusste nicht genau, wann ihm die Idee gekommen war. Wahrscheinlich hatte es etwas mit den Japanern zu tun, die er im Fernsehen gesehen hatte. Die Idee war so genial wie unerhört, eigentlich undenkbar. Ob sie wohl durchgeführt werden könnte?, dachte er elektrisiert. Seine

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