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Tief

Tief

Titel: Tief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Croft
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ihrer Wange zu versorgen – kostete sie so viel Kraft, dass sie schon eine halbe Stunde nachdem sie sich aus dem Bett gequält hatte, völlig erschöpft war. So ist es, dachte sie, wenn der letzte Tropfen Hoffnung aus deinem Leben gequetscht worden ist und du nur noch deinen Körper und dein Elend hast.
    Sie setzte sich vor ihren Schminktisch und betrachtete ihr Gesicht. Er hatte sie mit dem Handrücken geschlagen. Ihre rechte Wange war blau angelaufen, das Auge halb zugeschwollen. Auf dem Wangenknochen war ein kleiner, tiefer Schnitt. Er hatte ihn ihr mit seinem Ehering zugefügt.
    Ihre Selbstachtung war zu einem kläglichen Rest zusammengeschrumpft. Ich will zu Ally, stöhnte sie innerlich. Ich brauche sie, wie soll ich ohne sie hier überleben?
    Ein paar Sekunden lang dachte sie an einen Cocktail aus Paracetamol und Alkohol, um die schreckliche Realität wie einen alten Mantel abzulegen und ins Nichts einzutauchen. Aber dann fiel ihr etwas viel Besseres ein: Ich brauche das nicht zu ertragen, stellte sie fest. Ally hat uns ja sowieso verlassen, er kann sie nicht mehr als Drohung gegen mich verwenden, mich hält nur noch seine Tyrannei hier. Ich kann doch einfach gehen .
    Ich bin die Einzige, die mich aufhalten kann.
    Am späten Vormittag versuchte sie, aus dem Haus zu schleichen. Ihr war klar, wie lächerlich sie mit ihrem Schal um den Kopf und der Sonnenbrille aussah. Ohne jedes Gepäck huschte sie auf Zehenspitzen die Treppe hinunter. In ihrer Handtasche steckten Geld, Kreditkarten und Wagenschlüssel. Unten an der Treppe hörte sie, wie er telefonierte. Die Worte konnte sie nicht verstehen, aber sein Tonfall klang seltsam liebenswürdig.
    Jetzt lag nur noch die weite Marmorfläche der Eingangshalle vor ihr. Leise wie eine Katze lief sie zur Haustür. Ihre Finger schlossen sich um den Türknauf. In diesem Moment hörte sie, wie Rattigan das Wort »Ormond« sagte. Sie hielt inne, zögerte einen Augenblick, durchquerte dann aber die Halle.
    »Nicht einmal annähernd«, sagte er gerade. »Nein, nicht dreihundert, überlegen Sie noch mal … Nein … Vergessen Sie nicht, wir reden über eine Spezialität, die schon seit Langem vom Markt verschwunden ist …« Er kicherte fröhlich. »… Nein, nein … In Ordnung, eine einzelne Scheibe kostet achthundert Dollar … Ja … Achthundert Dollar!«
    Theresa bekam nicht allzu viel mit, sie konzentrierte sich lediglich auf das Wort »Ormond«. Hoffentlich sagte er es bald wieder, damit sie endlich gehen konnte. Und dann hörte sie es erneut, einmal, zweimal.
    »Nun, sehen Sie es doch mal so, die Konsequenzen werden ihn vernichten, sie sind sein schlimmster Albtraum …«
    Theresa wich zurück. Benommen wandte sie sich zur Treppe. Sie ging durch ihr Schlafzimmer ins Badezimmer, schloss ab und setzte sich auf die Toilette. Die Wunde in ihrem Gesicht pochte. Ich muss unbedingt herausfinden, was er vorhat, dachte sie. Ich weiß zwar noch nicht, wie ich es machen soll, weil er mich ja nicht an seine Arbeit heranlässt, aber es wird ihm nicht gelingen, Roddy zu vernichten.
    Es wird ihm nicht gelingen, sagte sie sich. Schließlich habe ich es vor Jahren schon selbst besorgt.
    *  *  *
    »Hey«, sagte Whitaker mit schwacher Stimme.
    »Wie geht es dir?«
    Roddy hätte am liebsten vor Erleichterung geheult.
    »Ich bin müde. Manche Körperteile tun weh, andere spüre ich gar nicht. Und mein Kopf schmerzt, das kannst du dir nicht vorstellen.«
    Roddy drängte blinzelnd die Tränen zurück. Sein Freund lag flach auf dem Rücken, und eines seiner Beine hing an einer Art futuristischem Metallgestell, das voller Streben und Schrauben war.
    »Hast du gedacht, ich hätte es überstanden?«, fragte Whitaker.
    »Als ich gestern hier war, hat man mir gesagt, dass du nicht reagiert hast, als man deine Ferse mit Nägeln durchbohrt hat. Ich bin einfach … Ich bin so froh, dass du okay bist.«
    »Ich war ohnmächtig, wegen der Steine. Ich kann mich noch erinnern, dass ich mir den Kopf angeschlagen habe, und dann an gar nichts mehr. Das ist wohl auch gut so, wenn man bedenkt, dass ein Wal vorbeigekommen ist und mir mit seiner Finne das Bein gebrochen hat. Gott. Kannst du dir das vorstellen? Es ist doch nicht zu fassen, was da am Strand passiert ist!«
    Roddy lächelte grimmig. Er sah aus, als hätte jemand die gesamte Energie aus ihm ausgewrungen.
    »Du siehst beschissen aus, Roddy.«
    »Ich weiß.«
    »Du kriegst ganz schön Zunder, was?«, sagte Whitaker und zeigte auf den Fernseher am

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