Tief
Fußende des Betts.
»Ja. Und es wird noch viel schlimmer werden. Ich werde Nekropsien machen. Sechs Wale.«
»Das wird den Leuten nicht gefallen.«
»Die Leute sind ein Problem, aber darüber mache ich mir keine Gedanken.«
»Über was denn dann?«
»Whitaker, es tut mir leid, aber du bist nicht in der Verfassung, um …«
»Ist schon okay.«
Roddy seufzte.
»Weißt du, ich kann die Wale wieder ins Meer zurückbringen, ich habe alles schon ausgearbeitet, den gesamten Prozess, aber … es ist nicht genug. Es ist nicht genug. Niemand will wissen, noch nicht einmal Derek oder die anderen Wal-Spezialisten, warum sie es getan haben . Aber wenn wir das nicht herausbekommen, dann haben wir keine Sicherheit, dass sie es nicht wieder tun.«
»Warum haben sie es denn deiner Meinung nach überhaupt getan?« Es strengte Whitaker sehr an, sich zu konzentrieren, und er bemühte sich, es zu verbergen.
»Ich glaube, es liegt an Umweltschäden.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Kannst du dich noch an diese beiden Wale erinnern, die vor einer Weile tot an die belgische Küste gespült worden sind? Sie waren so randvoll mit Mist, dass die Behörden sie als Giftmüll einstufen mussten.«
Whitaker stieß einen Seufzer aus und schloss die Augen. Roddy schien es nicht zu merken.
»Wenn nun«, fuhr er fort, »wenn nun die Wale einfach die Schnauze voll hatten? Die ganzen Chlorine und Toxine, die drastische Verringerung des Phytoplanktons, die Biphenylsäuren, das Überfischen, der Abfall, der Atommüll, die Schiffe, die Fäkalien – ich meine, vielleicht ist ihr Leben unerträglich geworden und sie versuchen, es uns mitzuteilen.«
Mühsam öffnete Whitaker wieder die Augen.
»Du gehst davon aus«, flüsterte er, »dass sie vernunftbegabt sind und so kommunizieren können wie wir.«
»Nicht wie wir«, erwiderte Roddy. »Das haben wir nur immer gewollt, in unseren homozentrischen Fantasien – aber es ist doch möglich, dass sie auf einer anderen Ebene kommunizieren und Pläne durchführen können.«
Whitakers Stimme war dünn und zittrig.
»Wenn sie das können, warum sind sie dann nicht schon vorher auf diese Weise gestrandet? In den Sechzigerjahren zum Beispiel, als siebzigtausend Wale in einem einzigen Jahr dahingemetzelt worden sind? Oder im neunzehnten Jahrhundert, als der Blauwal bis auf ein Prozent seiner ursprünglichen Population reduziert worden ist?«
»Ich weiß nicht.«
»Ich fühle mich … ein bisschen schwach, Roddy.«
»Es tut mir leid. Ich gehe jetzt.«
»Roddy – Roddy, hör auf mich. Lass das mit den Nekropsien, du wirst … gelyncht.«
Beim letzten Wort war Whitaker eingeschlafen.
Das Krankenhauszimmer wirkte ordentlich und ruhig. Die Wände waren blau, die Bettwäsche weiß, die Apparate auf dem letzten Stand der Technologie und beeindruckend. Sein Freund war auf dem Weg der Besserung. Selbstmitleid stieg in Roddy auf. Er war unerträglich müde und hätte sich am liebsten auch in ein Krankenhausbett gelegt und geschlafen. Aber er konnte sich ja auch bald hinlegen. Er würde jetzt an den Strand zurückfahren, überprüfen, welche Fortschritte bei den Tests gemacht worden waren; dann würde er die letzten Vorbereitungen für heute Abend treffen, ins Hotel gehen und sich für ein paar Stunden hinlegen.
* * *
Er wusste nicht, wo er war, als das Telefon klingelte. Sein Herz klopfte heftig, als er den Hörer abnahm und mit dem falschen Ende ans Ohr hielt.
»Hmmh.«
Eine leise Stimme sagte in seinen Mund: »Ihr Weckruf, Dr. Ormond, es ist siebzehn Uhr fünfundfünfzig.«
Roddy hatte so tief geschlafen, dass es ihm jetzt noch schlechter ging als vorher. Er tastete nach der Nachttischlampe und stellte fest, dass er sich in einem Hotelzimmer befand. Im Grand Hotel, fiel ihm ein.
Wegen einer kleinen Protestaktion von Tierärzten war er erst gegen halb vier Uhr vom Strand weggekommen. Sie hatten sich gegen Hautproben bei Walen ausgesprochen. Roddy und Derek hatte es vierzig Minuten gekostet, ihnen die Notwendigkeit der Maßnahme klarzumachen. Erst um vier hatte er im Bett gelegen, und jetzt hatte er weniger als zwei Stunden geschlafen.
Er schwang die Beine aus dem Bett und ließ den Kopf in die Hände sinken. Unwillkürlich rümpfte er die Nase. Aus seinen Achselhöhlen stieg ein unangenehmer Geruch auf. Ich muss mich duschen und rasieren, dachte er, bevor ich weitermache. Auf dem Weg ins Badezimmer schaltete er den Fernseher ein.
Das selbstbewusste Gesicht von Kate Gunning erschien auf
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