Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tief

Tief

Titel: Tief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Croft
Vom Netzwerk:
die Verpflegung der Freiwilligen. Roddy besprach das gerade mit Harry Giles, dem zuständigen Planungsoffizier, und schrieb gleichzeitig die Anweisungen für die Mentoren fertig, als Derek eintrat.
    Besorgt blickte Derek seinen Freund an. Roddy sah schmuddelig aus – Gott, er stinkt, dachte Derek, und er sieht völlig erschöpft aus.
    Roddy beendete das Gespräch. »Und, was gibt’s?«, fragte er Derek.
    »Es geht um das Medienproblem.«
    »Wir haben kein Medienproblem.«
    »Nun, ich habe mir von dem Medienverbindungsmann einiges anhören müssen, und ich finde, er hat recht.«
    »Womit?«
    »Er sagt, die Presse sei sowieso schon gegen uns, weil du dich weigerst, direkt mit ihnen zu reden, und in der Öffentlichkeit wächst die Sorge, dass die Wale nicht mehr ins Meer zurückgebracht werden. Und wenn man diese beiden Dinge miteinander vermischt, dann ist das wie offenes Feuer an einem Strohballen.«
    »Sie sind noch nicht einmal einen Tag lang aus dem Wasser heraus! Wie kann sich denn jemand darüber aufregen?«
    »Ich weiß das, du weißt das, aber deine Strategien erscheinen für Laien auf den ersten Blick ein wenig radikal, und wenn du sie nicht richtig präsentierst … Dass du drei Tage warten willst, zum Beispiel, dafür kreuzigen sie uns, und was die Nekropsien angeht …«
    »Derek, entschuldige bitte, aber ich dachte, das hätten wir alles schon besprochen. Und wolltest du nicht einen Zeitplan für Sammlung, Analyse und Ergebnisse von achtundsiebzig Blasloch-Kulturen ausarbeiten?«
    »Ja, klar, aber als der Medientyp anrief, da …«
    »Hör mal, ich kann an nichts anderes denken als an Wale, nur an Wale. Wir haben schon genug Probleme und brauchen nicht auch noch zu versuchen, die Medien oder die allgemeine Öffentlichkeit zufriedenzustellen. Also, lass dich bitte nicht wieder so aufhalten. Okay?«
    Derek zog die Augenbrauen hoch. Roddy versuchte, ihn anzulächeln, war aber so gereizt, dass ihm nur eine Grimasse gelang. Ich bin völlig erschöpft, dachte er, ich habe in der kurzen Zeit so viel zu erledigen, und Derek soll doch aufhören, mich mit so irrelevantem Mist zu behelligen.
    Er wandte sich wieder seinem Computer zu und beachtete Derek nicht mehr. Blöder Kerl, dachte Derek … Ich will ihm doch nur helfen. Klar ist er erschöpft, aber er kann mich doch nicht behandeln wie einen Schuljungen …
    Am späten Vormittag schmerzte Roddys Kopf vor Müdigkeit. Er beschloss, eine Zeit lang an die frische Luft zu gehen und sich bei den Walen aufzuhalten. Er stellte sich in seinem orangefarbenen Ölzeug neben einen dreißig Tonnen schweren Seiwal und streichelte ihn. Was mochte im Kopf eines solchen Wals vorgehen? Was hatte sich Blackfin dabei gedacht, als er diese Tiere aus ihrer natürlichen Umgebung geführt hatte? Wie soll ich das als Mensch verstehen? Gedankenverloren rieb er über sein unrasiertes Kinn. Die ganze Welt beobachtet mich, ich kann mir nicht die Nase kratzen, ohne dass irgendwelche Fernsehleute das ihrem Publikum erzählen.
    Er ging mitten unter die Wale, wo ihn die Schaulustigen nicht mehr sehen konnten. Sein Blick glitt über die schwarz-weiße Flanke eines Killerwals neben ihm; ein junger Mann, einer der neuen Mentoren, stand neben dem Kopf des Wals, streichelte ihn und redete leise mit ihm.
    Alles ist in Ordnung, sprach Roddy sich Mut zu. Bis heute Nachmittag sind die Wale so weit entspannt, dass wir mit den Untersuchungen beginnen können. Mittlerweile haben wir fünfzig Spezialisten vor Ort. Wenn sie ihre Arbeit aufgenommen haben, fahre ich mal für eine halbe Stunde zu Whitaker ins Krankenhaus, schlafe zwei oder drei Stunden im Hotel, und dann … Am Abend werde ich sechs Wale töten. Das wird unerträglich werden.
    »Dr. Ormond?«
    Roddy fuhr erschreckt zusammen. Der junge Mentor hatte ihn angesprochen.
    »Dr. Ormond, stimmt das Gerücht?«
    »Welches Gerücht?«
    »Dass einige der Wale getötet werden müssen?«
    Er war noch jung, vielleicht neunzehn oder zwanzig. Roddy blickte in das frische Gesicht, in dem gerade die ersten Bartstoppeln sprossen, und überlegte, wie er es ihm am schonendsten beibringen konnte.
    »Niemand tötet meinen Wal«, sagte der Junge grimmig.
    In diesem Moment klingelte Roddys Telefon.
    »Entschuldigung«, sagte er, froh darüber, einen Vorwand zu haben, damit er nicht antworten musste.

10
    Theresa fühlte sich wie zerschlagen, und sie hatte Mühe gehabt, überhaupt aufzustehen. Die kleinste Aktivität – ihre Tabletten einzunehmen, die Wunde auf

Weitere Kostenlose Bücher