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Tief

Tief

Titel: Tief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Croft
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angelaufen. »Ach, Mama!«, rief Ally, die ebenfalls mit den Tränen kämpfte. Die beiden Frauen umarmten sich.
    Dave tauchte in der Diele auf.
    »Äh, oh«, sagte er. »Äh … Ich mach mal Tee.«
    Er ging in die Küche. Als Ally ihre Mutter ins Haus zog, sah sie ihr Gesicht. Sie zog scharf die Luft ein, entsetzt über das gelb-violette Muster, das eine Wange entstellte.
    »Mama, was ist passiert?«
    Theresa brach zusammen. Schluchzend sank sie wieder in die Arme ihrer Tochter.
    *  *  *
    Tanya Grant stellte zwei Tassen Tee auf die Kommode, eine für ihren Bruder Whitaker – oder Peter, wie er hier zu Hause genannt wurde – und eine für Roddy. Sie warf den beiden Männern einen missbilligenden Blick zu. Whitaker lag auf seinem Bett und spielte Tomb Raider VI auf seinem Laptop. Er war nur mit einem Gipsbein und Boxershorts bekleidet. Roddy war auf dem einzigen Stuhl im Zimmer zusammengesunken. Seine Augen waren halb geschlossen, mit einer Hand hielt er eine Flasche Scotch fest umklammert, ein Glas in der anderen.
    »Dr. Ormond, überall im Park sind Journalisten und Fernsehteams«, sagte sie, »und dann noch so ein Irrer, der Sie erschießen will.«
    »Dazu braucht er ein Gewehr«, warf Whitaker ein.
    »Er hat ein Luftgewehr.«
    »Ah.« Ein langgezogenes »Woooow!« folgte, als das Spiel ihm einen Unterwasserblick auf Lara Croft gewährte.
    »Dr. Ormond, ich verstehe ja Ihre Probleme, aber mein Bruder braucht Ruhe und Frieden, um wieder gesund zu werden.«
    Roddy nickte, öffnete aber nicht die Augen.
    »Peter«, wandte sich Tanya hilfesuchend an ihren Bruder, »ich weiß, er ist dein Freund, und wir haben gesagt, er könne für kurze Zeit hierbleiben, aber, aber …«
    »Aber was?«
    »Es geht nicht! Mama dreht durch!«
    »Wenn er geht, gehe ich auch«, sagte Whitaker.
    Zum hundertsten Mal rief irgendein Journalist von unten aus dem öffentlichen Park in die Wohnung im zweiten Stock hinauf.
    »Dr. Ormond! Auf ein Wort bitte! Dr. Ormond!«
    »Das ist doch lächerlich!«, schrie Tanya und knallte die Tür hinter sich zu.
    Whitaker spielte weiter, und Roddy schenkte sich erneut einen Scotch ein. Dann trank er das Glas halb leer.
    »Glaubst du«, sagte er, »ein Wal könnte sich absichtlich umbringen, indem er beschließt, nicht zu atmen? Glaubst du, sie waren der Meinung, das Stranden hat nicht funktioniert, und haben deshalb willentlich Massenselbstmord begangen? Als ultimative Protestaktion sozusagen?«
    Er muss damit aufhören, dachte Whitaker, sonst wird er noch wahnsinnig.
    »Roddy, hör auf, dir ständig solche Gedanken zu machen – und ich will ja nicht nörgeln, aber du musst aufhören zu trinken. Deine Stimmbänder klingen, als wären sie mit Kies bestreut.«
    Aufhören zu trinken?, dachte Roddy.
    Am Tag, als die Wale gestorben waren, hatte er Zuflucht im Institut für Meeresbiologie in London gesucht. Er wusste nicht, wo er sonst hingehen sollte. Die Polizei hatte ihn in einer Art Sicherheitsfahrzeug dorthin gebracht, in dem sonst Kriminelle zwischen Gefängnis und Gerichtssaal hin- und hertransportiert wurden. Es war schrecklich gewesen: Das Fernsehen berichtete live aus Helikoptern, Paparazzi folgten ihm auf Motorrädern, die Autos hinter ihnen waren voller Journalisten, und vor dem Gebäude wartete eine tobende Menschenmenge. Im Institut hatte man ihm dann gesagt, er sei nicht mehr der Direktor, und er habe hier nichts mehr zu suchen. Der freundliche Detective Inspector, der sich um ihn kümmerte, schlug eine Gefängniszelle vor, und Roddy hatte tatsächlich drei Tage lang in der Polizeiwache von Holborn in der Zelle gesessen. Im Grunde war das die perfekte Zuflucht gewesen: Dort konnte ihm nichts passieren, er wurde mit Pizza gefüttert und konnte den lieben langen Tag nachdenken …
    Ich habe so viel nachgedacht, aber ich verstehe immer noch nicht, wie es passiert ist.
    Whitaker unterbrach sein Spiel und sah ihn an. Solange er im Krankenhaus lag, hatte er nichts für seinen Freund tun können, aber dann hatte er darauf bestanden, dass Roddy mit ihm bei seiner Mutter in Nord-London wohnen sollte. Allerdings hatte er nicht vorausgesehen, dass die Medien sie in diesem Ausmaß verfolgen würden.
    Die Wale waren zwar tot, aber die Geschichte war immer noch sehr lebendig. Jeden Tag brachten die Zeitungen Berichte über »Die Wahrheit hinter dem Walsterben« oder »Das größte Ereignis in der Geschichte«. In den Fernsehnachrichten standen die Wale an erster, zweiter und dritter Stelle.

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