Tief
künstliche Blumen, getrocknete Blumen, die an der Wand hingen, und überall Blumendrucke – auf der Bettdecke, der Tapete, den Vorhängen. Roddy sah sich suchend nach dem Telefon um.
»Da drüben«, sagte Tanya und zeigte auf etwas, das wie ein mit Blumen bedruckter Kaffeewärmer aussah. Darunter stand das Telefon.
Da sich Derek weder zu Hause noch im Büro oder am Handy meldete, versuchte Roddy es unter der Notfallnummer, die Derek zu Beginn der Krise zugewiesen bekommen hatte.
»Derek, ich bin es.«
Zunächst herrschte Schweigen. Es war ihr erster Kontakt seit Roddys Entlassung.
»Hast du sie gesehen?«, fragte Derek schließlich.
»Die Killerwale? Ja.«
Erneut Schweigen. Und dann brach Derek zu Roddys Entsetzen in Tränen aus.
»Es ist alles meine Schuld«, keuchte er schluchzend. »Meine – meine Schuld.«
»Derek …«
»Ich halte es nicht mehr aus, Roddy, sie beobachten mich.«
»Wer?«
»Roddy … Roddy, sie halten die Ergebnisse zurück, sie …«
Er schluchzte heftig.
»Was für Ergebnisse, Derek?« Es kam keine Antwort. »Derek, was für Ergebnisse …«
»Die Nekropsien …«
»Was zeigen sie?«
»Ich habe Angst, Roddy. Ich will sie nicht verlieren.«
»Wen?«
»Ich halte es nicht aus – ich halte es einfach nicht aus, ich kann nicht. Es tut mir leid, denk immer dran, dass ich keine andere Wahl hatte.«
Die Verbindung war unterbrochen.
»Derek!«
Fassungslos sah Roddy Tanya Grant an. Journalisten hämmerten an die Haustür, um zu erfahren, was der Exkoordinator des Wal-Krisenkoordinationsteams zu einem Konvoi von Killerwalen zu sagen hatte, die die Themse hinaufschwammen.
2
Apu hatte Mrs C. nach Hause gefahren, damit sie die Ereignisse ebenfalls im Fernsehen verfolgen konnte, und war auf einer anderen Strecke wieder in die Stadt zurückgefahren. Bald steckte er erneut im Stau – ganze Stadtteile von London waren abgeriegelt. Fahrer stiegen aus ihren Autos und machten sich zu Fuß auf den Weg an die Themse, und Apu schloss sich ihnen an. Ein Gedanke hatte sich in seinem Kopf festgesetzt. Bei ihrem monatlichen Telefongespräch wollte er zu seiner Frau sagen: »Ich war dabei, ich habe alle diese Wale in der Themse in London gesehen, von einem erstklassigen Aussichtspunkt aus.«
An die Themse konnte man nur zu Fuß gelangen. Es hatte die Runde gemacht, dass der Konvoi aus Killerwalen mitten in London angehalten hatte, zwischen der Waterloo- und der Golden-Jubilee-Brücke. Zuerst kam Apu gut voran, aber die letzten anderthalb Kilometer waren sehr mühsam. Überall versuchte die Polizei, die Leute zurückzudrängen. Es hatte über eine halbe Stunde gedauert, bis er eine der Barrieren durchbrochen hatte, und dahinter drängten sich die Menschenmassen bereits so dicht, dass an Bewegung gar nicht mehr zu denken war. Aber er war entschlossen. Er schob und schlängelte sich hindurch und ignorierte die empörten Protestrufe. Am frühen Abend war er nur noch hundert Meter von der Themse entfernt und steckte mit zehntausend anderen Personen im Flaschenhals der Villiers Street fest. Für die letzten hundert Meter brauchte er eine Stunde, aber schließlich gelangte er zum Victoria-Ufer. Eigentlich wollte er sich bis nach vorn durchdrängen, aber als er aufblickte, sah er über sich die Golden-Jubilee-Brücke, die Brücke, von der aus man alles am besten beobachten konnte. Entschlossen kämpfte er sich zu der Treppe durch, über die man auf die Brücke gelangen konnte, aber dort drängten sich die Leute so dicht, dass er seinen Entschluss schon wieder bereute. Doch dann sah er, dass ein paar furchtlose Jugendliche außen an der Metallkonstruktion hochgeklettert waren. Er dachte nur daran, dass er die Wale sehen wollte. Wie ein Aal wand er sich zu einer geeigneten Stelle durch, packte eine Metallstrebe und begann, sich hochzuziehen.
* * *
Ein paar Hundert Meter entfernt wurde Rattigan gerade in eine Suite im Savoy geleitet. Er schüttelte immer noch den Kopf darüber, welche Summe erforderlich gewesen war, um eine Suite mit Blick zum Fluss zu bekommen. Die letzten Stunden waren anstrengend gewesen. Er war an solche Unbequemlichkeiten nicht gewöhnt. Er hatte im Bentley gesessen und ein kompliziertes Telefongespräch mit dem Anwalt geführt, der seine wohltätigen Geschäfte erledigte, als er auf einmal bemerkt hatte, dass sie schon lange auf einem Fleck standen. In dem Telefonat war es um ein Projekt gegangen, über das er schon seit geraumer Zeit nachdachte: Universitätsstipendien
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