Tief
Meine Mutter hat nicht viel mitbekommen, aber er hat wohl mehrmals gesagt, eine einzelne Scheibe würde achthundert Dollar kosten.«
»Was für eine Scheibe?«
»Ich weiß es nicht. Ich dachte, Sie wüssten es vielleicht. Und noch etwas: Sagt Ihnen das Wort ›Jasmine‹ etwas?«
»Jasmine?«
»Es ist wichtig. Warum, weiß ich nicht.«
»Ist das alles?«
»Alles, was ich weiß«, erwiderte Ally bedauernd.
Sie blickten einander an.
»Für das Steak hier würde ich auch achthundert Dollar bezahlen«, sagte Kate, als ihr Steak-Sandwich gebracht wurde.
Sie ergriff das Sandwich und wollte gerade hineinbeißen, aber Roddy warf ihr einen so seltsamen Blick zu, dass sie innehielt.
»Was ist los?«, fragte sie.
»Fleisch«, sagte er. »Eine Scheibe Fleisch.«
»Und?«
»In Restaurants in Tokio kann man nach ›speziellem‹ Fleisch fragen, und wenn sie es haben, bekommst du Zwerg- oder Pilotwal für ein paar Hundert Dollar. Das Walfang-Moratorium hat ein Schlupfloch, und diese Arten können in begrenzten Mengen gejagt werden.«
»Du glaubst doch nicht … Meinst du etwa, Rattigan hat … Du glaubst, er ist hingegangen und …«
»Fleisch von einem Finnwal oder einem Pottwal … Na ja, es ist absolut illegal, diese Tiere zu jagen, und bestimmt hat niemand seit zwanzig Jahren ihr Fleisch gegessen. Der Preis wäre astronomisch hoch …«
Die drei saßen da und starrten sich schweigend an. Roddy war ganz blass geworden.
* * *
Um diese Uhrzeit brauchten sie vom Pub bis zu Kates Wohnung in Clerkenwell nur zehn Minuten. Kate versuchte, Roddy über seine Beziehung zu Rattigan auszuquetschen, aber er gab sich einsilbig. Sie gingen rasch. Kate hatte sich bei ihm untergehakt, aber sie bezweifelte, dass er es überhaupt merkte. Er ging in einem mechanisch regelmäßigen Rhythmus, mit gesenktem Blick. Dass Rattigan es auf ihn abgesehen hatte und dass die Wale um des Profits willen getötet worden waren, schien ihn aus der Fassung gebracht zu haben.
Kate öffnete die Tür zu ihrer Wohnung und schleuderte ihre Schuhe über den Marmorboden.
»Das tue ich gern«, erklärte sie und warf sich in einen Sessel.
Roddy blieb stirnrunzelnd in der Tür stehen.
»Komm, wir trinken was«, schlug Kate vor.
Er schüttelte den Kopf. Er schloss die Tür und trat ans Fenster. Es überraschte sie, als er seine Stirn an das kühle Glas presste. Er wirkte auf einmal so verletzlich. Der arme Kerl steht völlig unter Schock, dachte sie.
»Roddy, erzähl mir von Rattigan, bitte.«
Zuerst glaubte sie, er würde nicht antworten. Er blieb am Fenster stehen und sah in die nächtliche Landschaft hinaus. Minuten vergingen, bis es schließlich aus ihm hervorsprudelte:
»Wir haben dieselbe Frau geliebt. Sie hat Rattigan geheiratet. Ende der Geschichte.«
Kate wartete auf weitere Details, aber es kam nichts.
»Nun …«, sagte sie schließlich. »Wann, wie, warum, was ist passiert?«
Halbherzig dachte Roddy über ihre Fragen nach, ließ es aber bald wieder sein. Es gab Wichtigeres. Es erschreckte ihn, dass Rattigan ihn so sehr hasste. Und dass ein Mann, der so voller Hass war, Theresa geheiratet hatte … Mit einem Anflug von Scham dachte er, dass hinter der dünnen Fassade der Normalität – der Job, sein Zuhause, die mühsam errungene Zufriedenheit – seit zwanzig Jahren immer noch dieselbe tiefe Wunde und Einsamkeit lag. In Wahrheit, musste er sich eingestehen, habe ich mich nie wirklich weiterentwickelt – oder zumindest nicht genug …
»Wir kriegen ihn dran, Roddy.«
Er blickte sie an und nickte. Dann wandte er sich wieder zum Fenster und schlug plötzlich dreimal fest mit dem Kopf dagegen.
»Jesus!«, schrie sie, sprang auf und zog ihn weg.
Er sank auf ihr Sofa.
»Bist du okay?«
»Ja.«
»Ich gebe dir etwas Kava Kava, und dann gehst du ins Bett.«
»Was ist Kava Kava?«
»Ein pflanzliches Mittel, es macht dich ruhiger.«
»Wenn du das sagst.«
»Komm ins Bett«, bat sie ihn.
Ungläubig hob er den Kopf.
»Was?«
»Nicht so. Ich meine nur, du sollst mit mir ins Bett kommen. Um zu schlafen.«
»Ich kann auf dem Sofa schlafen.«
»Ich weiß. Wenn du das möchtest, kannst du das auch. Ich finde nur – du brauchst heute Nacht jemanden an deiner Seite. Das braucht man ab und zu. Und du bist so traurig.«
»Morgen früh geht es mir wieder gut. Es ist nur der Schock darüber, was er getan hat.«
»Ich weiß. Na, komm schon.«
Er folgte ihr ins Schlafzimmer. In gewisser Weise war er ihr dankbar, dass sie ihm die
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