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Tief

Tief

Titel: Tief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Croft
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Entscheidung abgenommen hatte. Er setzte sich aufs Bett und blieb erst einmal dort sitzen. Kate ging wieder hinaus, und kurz darauf merkte er, dass sie ihm ein Glas reichte.
    »Was ist das?«
    »Kava Kava und Orangensaft.«
    »Wie schmeckt es?«
    »Wie Spülwasser.«
    Er kippte es hinunter, zuckte zusammen und begann sich dann ohne Umstände auszuziehen. Kate tat dasselbe auf der anderen Seite des Betts. Er warf einen kurzen Blick auf sie, als sie sich, fast nackt, ein T-Shirt über den Kopf streifte, aber eigentlich war er daran so wenig interessiert wie ein Fisch an Bergluft. Er schlüpfte unter die Decke, und Kate ging ins Badezimmer, um sich die Zähne zu putzen. Er hörte die vertrauten Geräusche und wusste, dass er viel zu unglücklich war, um an Annäherungsversuche auch nur zu denken.
    Ein paar Minuten später kam Kate ins Bett. Sie lagen nebeneinander auf dem Rücken, viel Platz zwischen sich, und lauschten der Nacht.
    »Wirkt das Kava Kava?«
    »Ich glaube nicht, dass es irgendetwas bewirkt. Außerdem schlafe ich wohl besser auf dem Sofa. Wenn ich hierbleibe, halte ich dich bloß vom Schlafen ab. Und im Moment kann ich mir nicht vorstellen, überhaupt ein Auge schließen zu können.«
    Fünf Minuten später war er fest eingeschlafen. Ein paar Stunden danach wachte er auf und stellte fest, dass Kate sich an ihn gekuschelt hatte, ihr Gesicht an seinem Hals, den Arm über seine Brust gelegt. Er spürte den unvergleichlichen Frieden des Körperkontakts mit einem anderen Menschen. So hat Theresa immer neben mir gelegen, dachte er. Dann schlief er wieder ein.

8
    Der Mond ist hinter Wolken verschwunden. Auch über dem Ozean ist es dunkel. In tausend Meter Tiefe jedoch, wo ein Pottwal über den Meeresboden schwimmt, ist es dunkler als dunkel. Blackfin sucht nach Nahrung. Er ist hungrig und erschöpft. Einen Tag, eine Nacht und noch einen Tag lang hat er die Wale in allen Ozeanen gerufen: Er ist getaucht, hat gerufen, ist wieder aufgestiegen, hat geatmet; ist wieder getaucht, hat gerufen, ist aufgestiegen, hat geatmet. Das Gewicht der Kette an der Schwanzflosse ist kaum zu ertragen, die Stelle ist wundgescheuert und wird sich bald entzünden. Aber diese Qualen muss er aushalten. Wale antworten von überallher. Sie werden zu ihm kommen, und er wird sie anführen. Er muss leben.
    Sein Klicken prallt von einer weichen, lebendigen Masse ab. Innerhalb weniger Sekunden schließen sich seine Kiefer um einen Tiefsee-Kraken. Er ist nicht viel größer als ein Mensch und stellt kein Problem dar. Er kaut und schluckt ihn mühelos.
    Erneut kommen seine Klicklaute zu ihm zurück. Offensichtlich ein großer Krake, ein Riesenkrake. Früher hat er gern mit dieser Art von Beute gekämpft. Er hat immer noch die Narbe auf dem Kopf, verursacht von den furchterregenden Saugnäpfen eines Riesenkraken. Jetzt ist er zu alt, zu schwach und zu müde. Er sollte den Gegner besser meiden, aber die Müdigkeit und der Hunger treiben ihn zu einer falschen Entscheidung. Wie ein Schiff, das die Maschinen nicht mehr rechtzeitig stoppen kann, gleitet er in die sanft leuchtende, weiche Masse hinein.
    Die pulsierenden Tentakel des Kraken schlingen sich um ihn und halten ihn fest wie weiß glühender Draht. Der Schnabel des Tiers schließt sich über Blackfins Blasloch. Der Wal versucht, den Kraken abzuschütteln, aber er hält unerbittlich fest. Es bleibt Blackfin nichts anderes übrig, als Luft auszublasen. Er darf nicht sterben, er muss am Leben bleiben. Heftig schießt der Luftstrahl heraus, in den Kraken hinein, und endlich lösen sich die Fangarme, und das Maul des Tiers wird schlaff. Blackfin windet sich, und der Krake fällt von ihm ab.
    Jetzt ist Blackfin ohne Sauerstoff, in tausend Meter Tiefe. Ihm ist schwindlig. Die Muskeln seiner Schwanzflosse treiben nutzlos wie Algen im Wasser. Seine Augen pochen, und seltsame Lichtexplosionen verdunkeln seine Sicht. Nur noch sein Wille und sein Bedürfnis nach Sauerstoff lassen ihn weiterschwimmen. Die Kette zieht ihn nach unten, aber er schiebt sich Meter für Meter unter unsäglichen Schmerzen an die Meeresoberfläche, in Richtung der Aufgabe, die vor ihm liegt.
    *  *  *
    Rattigans Oberlippe zuckte. Kleine Schweißtropfen bildeten sich auf seiner Stirn.
    Es war 6.30 Uhr morgens. Er saß in der Küche. Die Haushälterin war da gewesen und schon wieder weg, wie er es mochte. Sie hatte eine Kanne Kaffee auf die Warmhalteplatte und ein englisches Frühstück in den Backofen gestellt. Aber es blieb

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