Tiefe Wunden
los«, tönte seine Stimme aus dem Lautsprecher. »Nierhoff und die Neue planen eine SoKo Rentner und eine SoKo Monika.«
Bodenstein, der etwas Ähnliches schon viel früher erwartet hatte, blieb gelassen. Er warf einen Blick auf die Uhr. Halb zwei. Von der Hanauer Landstraße brauchte er um diese Uhrzeit ungefähr dreißig Minuten, wenn er den Weg über den Riederwald und den Alleenring nahm.
»Wir treffen uns in einer halben Stunde im Zaika in Liederbach zur Lagebesprechung. Das komplette K11«, sagte er zu Ostermann. »Bestellen Sie mir Carpaccio und Chicken Curry, wenn Sie vor mir da sein sollten.«
»Und mir eine Pizza!«, rief Pia vom Beifahrersitz aus. »Mit extra Thunfisch und Sardellen«, ergänzte Ostermann. »Geht klar. Bis gleich.«
Eine ganze Weile fuhren sie schweigend, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Bodenstein dachte an den Vorwurf, den ihm sein früherer Chef in Frankfurt früher häufig gemacht hatte. Er sei unflexibel und kein Teamplayer, hatte Oberkommissar Menzel behauptet, gerne vor versammelter Mannschaft. Zweifellos hatte er damit recht gehabt. Bodenstein hasste es, unnötig Zeit mit Lagebesprechungen, Kompetenzstreitigkeiten und albernen Machtdemonstrationen zu vergeuden. Nicht zuletzt deshalb war er gerne nach Hofheim gewechselt, in eine mit fünf Leuten überschaubare Abteilung. Nach wie vor war er der Meinung, dass viele Köche den Brei nur zu gründlich verderben konnten.
»Werden Sie sich auf zwei SoKos einlassen?«, fragte Pia in diesem Augenblick. Bodenstein warf ihr einen raschen Blick zu.
»Kommt drauf an unter wessen Leitung«, erwiderte er. »Es ist aber auch alles völlig verfahren. Um was geht es hier eigentlich wirklich?«
»Um die Morde an drei alten Menschen, einer jungen Frau und einem Mann«, überlegte Pia laut.
Bodenstein trat in der Höhe der Berger Straße auf die Bremse und ließ eine Gruppe junger Leute über den Zebrastreifen gehen.
»Wir stellen die falschen Fragen«, sagte er und überlegte, was Katharina Ehrmann mit Ritter zu tun haben mochte. Zwischen den beiden lief etwas, das war klar. Vielleicht kannte sie ihn von früher, als er noch für Vera Kaltensee gearbeitet hatte.
»Ob sie noch mit Jutta Kaltensee befreundet ist?«, fragte Bodenstein. Pia verstand sofort, von wem er sprach.
»Wieso ist das wichtig?«
»Woher hat Ritter die Information über Robert Watkowiaks leiblichen Vater? Das ist garantiert ein Familiengeheimnis, von dem nur sehr wenige wissen.«
»Wie soll dann Katharina Ehrmann davon wissen?«
»Sie war immerhin so vertraut mit der Familie, dass Eugen Kaltensee ihr Firmenanteile übereignet hat.«
»Besuchen wir eben Vera Kaltensee noch einmal«, schlug Pia vor. »Fragen wir sie, was in der Kiste war und weshalb sie uns wegen Watkowiak angelogen hat. Was haben wir zu verlieren?«
Bodenstein schwieg, dann schüttelte er den Kopf.
»Wir müssen sehr vorsichtig sein«, sagte er. »Auch wenn Sie Ritter nicht leiden können, will ich keine sechste Leiche riskieren, nur weil wir unüberlegte Fragen gestellt haben. Siehatten nicht ganz unrecht damit, dass Ritter sich auf dünnem Eis bewegt.«
»Der Typ hält sich für nicht weniger unantastbar als Vera Kaltensee«, entgegnete Pia heftig. »Der ist blind vor Rachsucht, und ihm ist jedes Mittel recht, um der Familie Kaltensee an den Karren zu fahren. So ein Widerling. Der betrügt seine schwangere Frau mit dieser Katharina Ehrmann. Hundertprozentig.«
»Das glaube ich auch«, räumte Bodenstein ein. »Trotzdem, als Leiche nützt er uns wenig.«
Der größte Ansturm zur Mittagszeit war schon vorbei, als Pia und Bodenstein im Zaika eintrafen, und bis auf ein paar Geschäftsleute hatte sich das Restaurant schon wieder geleert. Die Mitarbeiter des K11 hatten sich um einen der größeren Tische in einer Ecke des mediterran gestalteten Gastraumes versammelt und waren bereits beim Essen. Nur Behnke saß mit säuerlicher Miene daneben und nippte an einem Wasser.
»Ich hab auch ein paar gute Nachrichten, Chef«, begann Ostermann, als sie am Tisch Platz genommen hatten. »Zu dem DNA-Profil, das jeweils an einem Haar bei den Leichen von Monika Krämer und Watkowiak festgestellt wurde, hat der Computer einen Spur-Spur-Treffer ausgespuckt. Bei der Aufarbeitung alter Fälle haben unsere Kollegen vom BKA Spuren ausgewertet und gespeichert. Derjenige hatte irgendetwas mit einem bisher ungeklärten Mord in Dessau am 17. Oktober 1990 und einer gefährlichen Körperverletzung in Halle
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