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Tiefe Wunden

Titel: Tiefe Wunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Schreibtischunterlage in der Hoffnung auf einen Namen, eine Telefonnummer oder irgendeinen Hinweis auf den Verbleib von Nowak, aber Kaltensee schien beim Telefonieren einfach gerne zu zeichnen. Bodenstein wühlte im Papierkorb, Behnke durchsuchte die Schreibtischschubladen, während die MEK-Leute auf dem Flur warteten.
    »Er war auch gestern ganz anders als sonst«, äußerte der Hausmeister nachdenklich. »Irgendwie ... aufgekratzt.«
    Bodenstein, Behnke und Pia hielten gleichzeitig inne und starrten ihn an.
    »Sie haben Professor Kaltensee gestern gesehen? Warum sagen Sie das nicht gleich?«, fuhr Behnke den Mann ärgerlich an.
    »Weil Sie mich nicht gefragt haben«, erwiderte der würdevoll. Das Funkgerät des Einsatzleiters knisterte und rauschte, dann ertönte eine Stimme, kaum verständlich durch die atmosphärischen Störungen, die von den dicken Betondecken im Gebäude verursacht wurden. Der Hausmeister zwirbelte nachdenklich ein Ende seines Schnauzers.
    »Er war richtig euphorisch«, erinnerte er sich. »Was sonst eigentlich nie der Fall ist. Er kam aus dem Keller im Westflügel. Darüber habe ich mich noch gewundert, weil sein Büro ja ...«
    »Können Sie uns dorthin führen?«, unterbrach Pia ihn ungeduldig.
    »Natürlich.« Der Hausmeister nickte. »Aber was hat er denn eigentlich gemacht, der Herr Professor?«
    »Nichts Schlimmes«, erwiderte Behnke sarkastisch. »Vermutlich nur ein paar Menschen ermordet.«
    Dem Hausmeister klappte der Mund auf.
    »Meine Leute halten mehrere Personen fest, die sich unbefugt Zutritt zum Gebäude verschafft haben«, meldete der Einsatzleiter nun in gestelztem Beamtendeutsch.
    »Wo?«, fragte Bodenstein gereizt.
    »Im Untergeschoss. Im Westflügel.«
    »Na, dann los«, sagte Bodenstein knapp.
     
    Die sechs Männer in den schwarzen Uniformen der K-Secure standen mit dem Rücken zu den Polizisten, die Beine gespreizt, die Hände an der Wand.
    »Umdrehen!«, kommandierte Bodenstein. Die Männer gehorchten. Pia erkannte Henri Améry, den Geschäftsführer des Kaltensee’schen Werkschutzes, auch ohne Anzug und Lackschuhe.
    »Was tun Sie und Ihre Leute hier?«, fragte Pia.
    Améry schwieg und lächelte.
    »Sie sind vorläufig festgenommen.« Sie wandte sich an einen der MEK-Beamten. »Bringt sie hier raus. Und stellt fest, woher sie wussten, dass wir hier sind.«
    Der Mann nickte. Handschellen schnappten, die sechs Schwarzgekleideten wurden abgeführt. Bodenstein, Pia und Behnke ließen sich vom Hausmeister jeden Raum aufschließen – Aktenarchive, Abstellräume, Elektrotechnik- und Heizungsräume, leere Keller. Im vorletzten Raum wurden sie schließlich fündig. Auf einer Matratze auf dem Boden lag eine Gestalt, daneben standen Wasserflaschen, Lebensmittel, Medikamente und eine Überseekiste. Pia drückte auf den Lichtschalter. Ihr schlug das Herz bis zum Hals. Mit einem leisen Sirren leuchtete die Neonröhre an der Decke auf.
    »Hallo, Herr Nowak.« Sie ging neben der Matratze in die Hocke. Der Mann blinzelte benommen in das helle Licht. Er war unrasiert, tiefe Furchen der Erschöpfung hatten sich in sein übel zugerichtetes Gesicht gegraben. Mit seiner gesunden Hand umklammerte er ein Handy. Er sah krank aus, aber er lebte. Pia legte ihre Hand auf seine fieberheiße Stirn und sah, dass sein T-Shirt blutdurchtränkt war. Sie drehte sich zu Bodenstein und Behnke um.
    »Ruft sofort den Notarzt her.«
    Dann wandte sie sich wieder dem Verletzten zu. Egal, was er getan haben mochte, er tat ihr leid. Er musste schlimme Schmerzen haben.
    »Sie gehören ins Krankenhaus«, sagte sie. »Warum sind Sie hier?«
    »Elard ... «, murmelte Nowak. »Bitte ... Elard ...«
    »Was ist mit Professor Kaltensee? «, fragte sie. »Wo ist er?« Der Mann richtete mühsam seinen Blick auf sie, dann schloss er die Augen.
    »Herr Nowak, helfen Sie uns! «, bat Pia eindringlich. »Wir haben das Auto von Professor Kaltensee am Flughafen gefunden.Er und seine Mutter sind wie vom Erdboden verschwunden. Und wir haben im Tresor in Ihrem Büro die Pistole gefunden, mit der vor kurzem drei Menschen erschossen wurden. Wir nehmen an, dass Elard Kaltensee diese drei Morde verübt hat, nachdem er die Pistole in der Kiste gefunden hatte ...«
    Marcus Nowak öffnete die Augen. Seine Nasenflügel bebten, er holte keuchend Luft, als wolle er etwas sagen, aber nur ein Stöhnen kam über seine aufgeplatzten Lippen.
    »Ich muss Sie leider verhaften, Herr Nowak«, sagte Pia nicht ohne Bedauern. »Sie haben keine Alibis

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