Tiefe Wunden
das nicht ganz ernst genommen, aber vielleicht ... « Katharina Ehrmann verstummte. »Großer Gott! Meinen Sie, dass die unsere Telefongespräche abgehört haben?«
»Das halte ich für möglich.« Bodenstein nickte besorgt. Die Leute von K-Secure waren gut ausgerüstet, sie hattenden Polizeifunk abgehört und so erfahren, wo man Nowaks Handy geortet hatte. Für sie war es vermutlich ein Leichtes, auch andere Telefongespräche abzuhören. Es klopfte an der Tür, Behnke trat ein und reichte Pia den wattierten Umschlag, den sie gleich öffnete.
»Eine CD-ROM«, stellte sie fest. »Und eine Kassette.«
Sie angelte nach ihrem Diktiergerät, legte die Kassette ein und drückte die Play-Taste. Sekunden später ertönte die Stimme von Ritter.
»Heute ist Freitag, der 4. Mai 2007. Mein Name ist Thomas Ritter, vor mir sitzt Frau Auguste Nowak. Frau Nowak, Sie möchten etwas erzählen. Bitte.«
»Stopp!«, unterbrach Bodenstein. »Danke, Frau Ehrmann. Sie können jetzt gehen. Bitte informieren Sie uns, wenn Sie etwas von Herrn Dr. Ritter hören.«
Die dunkelhaarige Frau verstand und erhob sich.
»Schade«, sagte sie. »Gerade jetzt, wo es spannend wird.«
»Machen Sie sich eigentlich überhaupt keine Sorgen um Herrn Ritter?«, fragte Bodenstein. »Immerhin ist er ja Ihr Autor, der Ihnen einen Bestseller liefern soll.«
»Und Ihr Liebhaber«, fügte Pia hinzu.
Katharina Ehrmann lächelte kühl.
»Glauben Sie mir«, sagte sie. »Er wusste, worauf er sich einlässt. Kaum jemand kennt Vera besser als er. Außerdem hatte ich ihn gewarnt.«
»Eine Frage noch«, hielt Bodenstein sie zurück, bevor sie ging. »Warum hat Ihnen Eugen Kaltensee Firmenanteile überschrieben?«
Ihr Lächeln verschwand.
»Lesen Sie die Biographie«, sagte sie. »Dann wissen Sie’s.«
»Mein Vater war ein großer Verehrer des Kaisers« , klang die Stimme von Auguste Nowak aus dem Lautsprecher desKassettenrekorders, der mitten auf dem Tisch stand. »Deshalb ließ er mich nach der Kaiserin Auguste Viktoria taufen. Früher nannte man mich Vicky, aber das ist lange her. «
Bodenstein und Pia wechselten einen raschen Blick. Das ganze Team des K11 hatte sich um den großen Tisch im Besprechungsraum versammelt, neben Bodenstein saß Kriminalrätin Dr. Nicola Engel mit ausdrucksloser Miene. Die Uhr zeigte Viertel vor neun, aber nicht einmal Behnke dachte an Feierabend.
»Ich wurde am 17. März 1922 in Lauenburg geboren. Mein Vater Arno war Gutsverwalter auf dem Gut der Familie Zeydlitz-Lauenburg. Wir waren drei Mädchen: Vera, die Tochter des Freiherrn, Edda Schwinderke, die Tochter des Zahlmeisters, und ich. Wir waren alle drei gleich alt und sind fast wie Schwestern aufgewachsen. Edda und ich schwärmten als junge Mädchen für Elard, Veras älteren Bruder, aber der konnte Edda nicht leiden. Sie war schon als Mädchen furchtbar ehrgeizig und sah sich insgeheim schon als Herrin auf Gut Lauenburg. Als Elard sich in mich verliebt hat, hat sich Edda schrecklich geärgert. Sie dachte, Elard wäre beeindruckt, weil sie schon mit sechzehn Führerin der Mädelgruppe beim BDM war, aber das Gegenteil war der Fall. Er hat die Nazis verachtet, auch wenn er das nie laut gesagt hat. Edda hat das nicht gemerkt, hat immer mit ihrem Bruder Oskar geprotzt, weil er bei der Leibstandarte Adolf Hitler war. «
Auguste Nowak machte eine Pause. Niemand in der Runde sagte ein Wort, bis sie weitersprach.
»1936 waren wir mit den Jungmädels in Berlin bei der Olympiade. Elard hat damals in Berlin studiert. Er hat Vera und mich abends zum Essen ausgeführt, und Edda ist vor Eifersucht beinahe geplatzt. Sie schwärzte uns an, weil wir uns unerlaubt von der Gruppe entfernt hatten, und es gab richtigen Ärger deswegen. Seit dem Tag hat sie mich schikaniert, wo sie nur konnte, mich vor den anderen Mädchen bei den wöchentlichen Heimabenden lächerlich gemacht, einmal hat sie sogar behauptet, mein Vater sei ein Bolschewik. Als ich neunzehn war, wurde ich schwanger. Niemand hatte etwas gegen eine Heirat einzuwenden, auch Elards Eltern nicht, aber es war Krieg und Elard an der Front. Als der Hochzeitstermin feststand, wurde er von der Gestapo verhaftet, obwohl er Offizier der Luftwaffe war. Der zweite Hochzeitstermin musste auch verschoben werden, weil Elard wieder verhaftet wurde. Es war übrigens Oskar gewesen, der Elard bei der Gestapo angeschwärzt hatte.«
Pia nickte. Diese Aussage bestätigte, was der ehemalige polnische Zwangsarbeiter Miriam erzählt hatte.
»Am
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