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Tiefe Wunden

Titel: Tiefe Wunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Wartebereich erhob. »Können Sie uns sagen, wo Ihr Enkelsohn ist?«
    »Nein, das nicht. Aber ich muss dringend mit Ihnen sprechen.«
    »Wir haben leider sehr viel zu tun«, sagte Pia. In diesem Moment summte ihr Handy; auch Bodenstein telefonierte schon wieder. Sie warf Nowaks Großmutter einen entschuldigenden Blick zu und nahm das Gespräch entgegen. Ostermann berichtete aufgeregt, dass Marcus Nowaks Handy für ein paar Minuten hatte geortet werden können. Pia spürte den Adrenalinstoß im ganzen Körper. Vielleicht lebte der Mann ja doch noch!
    »In Frankfurt, zwischen der Hansaallee und der Fürstenberger Straße«, sagte Ostermann. »Genauer ging es nicht, das Gerät war nur sehr kurz eingeschaltet.«
    Pia gab ihm die Anweisung, sich mit den Kollegen in Frankfurt in Verbindung zu setzen und das Gebiet sofort weiträumig absperren zu lassen.
    »Chef«, sie wandte sich an Bodenstein, »Nowaks Handy wurde in Frankfurt an der Hansaallee geortet. Denken Sie, was ich denke?«
    »Allerdings.« Bodenstein nickte. »Kaltensees Büro in der Uni.«
    »Entschuldigen Sie bitte.« Auguste Nowak legte ihre Hand auf Pias Arm. »Ich muss Ihnen wirklich ...«
    »Ich habe jetzt leider keine Zeit, Frau Nowak«, erwiderte Pia. »Vielleicht finden wir Ihren Enkelsohn noch lebend. Wir unterhalten uns später. Ich rufe Sie an. Soll jemand Sie nach Hause fahren?«
    »Nein danke.« Die alte Frau schüttelte den Kopf.
    »Es kann länger dauern. Tut mir leid!« Pia hob die Arme in einer Geste des Bedauerns und folgte Bodenstein, der schon sein Auto erreicht hatte. Sie hatten keine Zeit mehr zu verlieren und bemerkten deshalb auch nicht die dunkle Maybach-Limousine, deren Motor in dem Augenblick angelassenwurde, als Auguste Nowak aus dem Tor der Regionalen Kriminalinspektion trat.
     
    Als Bodenstein und Pia im ehemaligen IG-Farben-Haus am Grüneburgplatz eintrafen, in dem sich der neue Campus Westend der Frankfurter Universität befand, hatten uniformierte Beamte bereits den Eingangsbereich abgeriegelt. Die unvermeidbaren Schaulustigen sammelten sich hinter den Absperrbändern; im Innern des Gebäudes diskutierten verärgerte Studenten, Professoren und Mitarbeiter der Universität mit den Polizisten, doch die Anweisung war eindeutig: Niemand durfte das Gebäude betreten oder verlassen, bis man Nowaks Handy und im besten Fall dessen Besitzer gefunden hatte.
    »Da ist Frank«, sagte Pia, der beim Anblick des neunstöckigen und etwa zweihundertfünfzig Meter breiten Gebäudes der Mut sank. Wie sollten sie hier ein Handy finden, das schon wieder ausgeschaltet war und sich ebenso gut irgendwo auf dem vierzehn Hektar großen Gelände, im Park oder in einem geparkten Auto befinden konnte? Behnke stand mit dem Einsatzleiter der Frankfurter Polizei zwischen den vier Säulen vor dem imposanten Haupteingang des IG-Farben-Gebäudes. Als er Bodenstein und Pia erblickte, kam er auf sie zu.
    »Fangen wir mit dem Büro von Kaltensee an«, schlug er vor. Sie betraten den prunkvollen Eingangsbereich, aber niemand von ihnen hatte einen Blick für die Bronzeplatten und kunstvollen Kupferfriese, mit denen Wände und Fahrstuhltüren verkleidet waren. Behnke führte Bodenstein, Pia und eine Gruppe martialisch aussehender Beamter in Kampfanzügen vom MEK hinauf in den vierten Stock. Dann wandte er sich nach rechts und ging zielsicher den langen, leicht gebogenen Flur entlang. Pias Handy summte, und sie ging dran.
    »Das Handy wurde wieder eingeschaltet!«, rief Ostermann aufgeregt.
    »Und? Ist es hier im Haus?« Pia blieb stehen und hielt sich ein Ohr zu, um den Kollegen besser zu verstehen.
    »Ja, ganz sicher.«
    Die Tür zu Kaltensees Büro war abgeschlossen – eine weitere Verzögerung entstand, bis endlich jemand den Hausmeister mit einem Zentralschlüssel aufgetrieben hatte. Der Mann, ein älterer Herr mit einem schneeweißen Schnauzer, hantierte umständlich mit seinem Schlüsselbund. Als die Tür endlich aufging, stürmten Behnke und Bodenstein ungeduldig an ihm vorbei.
    »Scheiße«, fluchte Behnke. »Keiner da.«
    Der Hausmeister stand in einer Ecke des Büros und verfolgte die hektischen Bemühungen der Polizei mit großen Augen.
    »Was ist hier eigentlich los?«, fragte er nach einer Weile. »Ist etwas mit Professor Kaltensee?«
    »Glauben Sie, sonst würden wir hier mit hundert Leuten und dem Mobilen Einsatzkommando auftauchen? Allerdings ist etwas mit ihm!« Pia beugte sich über den Schreibtisch und studierte die vollgekritzelte

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