Tiefe Wunden
Ach – Bodenstein?«
Pia hielt ihrem Chef den Hörer hin.
»Bei der Schnellanalyse Ihrer Blutprobe habe ich Spuren von 4-Hydroxybutansäure, kurz GHB, gefunden. Man nennt es auch Liquid Ecstasy. Meinen Berechnungen zufolge müssten Sie etwa gegen 21 :00 Uhr des Vorabends eine Dosis von ungefähr zwei Milligramm zu sich genommen haben.«
Bodenstein blickte Pia an.
»Bei einer Dosis in dieser Höhe tritt eine Einschränkung der motorischen Kontrolle auf, ähnlich wie bei einem Alkoholrausch. Unter Umständen kommt eine aphrodisierende Wirkung hinzu.«
Pia registrierte, dass ihr Chef tatsächlich rot wurde.
»Was schließen Sie daraus?«, fragte er und wandte Pia den Rücken zu.
»Wenn Sie es nicht selbst eingenommen haben, hat Ihnen jemand etwas verabreicht. Wahrscheinlich in einem Getränk. Liquid Ecstasy ist eine farblose Flüssigkeit.«
»Alles klar«, sagte Bodenstein knapp. »Vielen Dank, Dr. Kirchhoff.«
»Keine Ursache. Ich melde mich gleich wieder.«
»Na also.« Pia war zufrieden. »Jutta hatte Ihnen eine Falle gestellt.«
»Sie können nicht nach Polen fahren«, sagte Bodenstein, statt darauf einzugehen. »Sie wissen doch gar nicht, ob es dieses Schloss überhaupt noch gibt. Außerdem werden die polnischen Behörden nicht begeistert sein, wenn wir sie jetzt mitten in der Nacht um Amtshilfe bitten.«
»Dann tun wir das eben nicht. Henning und ich fliegen als Touristen rüber.«
»Sie stellen sich das so einfach vor.«
»Das ist einfach«, sagte Pia. »Wenn Hennings Freund Zeithat, kann er uns morgen früh nach Polen fliegen. Der fliegt dauernd irgendwelche Geschäftsleute in den Osten und kennt sich mit den Bestimmungen aus.«
Bodenstein legte die Stirn in Falten. Es klopfte, und Dr. Engel trat ein.
»Glückwunsch«, sagte sie. »Sie haben drei Mordfälle aufgeklärt.«
»Danke«, erwiderte Bodenstein.
»Wie geht es weiter? Warum haben Sie die Frau nicht verhaftet?«
»Weil sie nicht zu Hause war«, sagte Bodenstein. »Ich gebe jetzt eine Fahndung raus.«
Nicola Engel hob die Augenbrauen und blickte argwöhnisch zwischen Bodenstein und Pia hin und her.
»Sie führen doch irgendetwas im Schilde«, folgerte sie scharfsinnig.
»Stimmt.« Bodenstein holte tief Luft. »Ich werde Frau Kirchhoff und einen forensischen Anthropologen nach Polen zu diesem Schloss schicken. Sie sollen, wenn möglich, Knochen sicherstellen, die wir dann hier analysieren lassen können. Wenn sich herausstellt, dass Auguste Nowak die Wahrheit sagt – wovon ich überzeugt bin –, haben wir genug in der Hand, um Vera Kaltensee wegen Mordes vor Gericht zu bringen.«
»Das kommt gar nicht in Frage. Wir haben mit der Schauergeschichte dieser Frau nichts zu tun.« Dr. Engel schüttelte energisch den Kopf. »Es besteht überhaupt keine Notwendigkeit, dass Frau Kirchhoff nach Polen reist.«
»Aber man könnte doch ... «, begann Pia.
»Sie haben hier zwei weitere Morde aufzuklären«, würgte die Kriminalrätin ihren Einwand ab. »Außerdem ist Professor Kaltensee noch immer flüchtig, und jetzt auch diese Frau Nowak, eine geständige Mörderin. Und wo sind die Tagebücher,die Ritter von Nowak erhalten hat? Wo ist Ritter? Wes halb sitzen sechs Männer unten in den Arrestzellen? Sprechen Sie lieber mit denen, bevor Sie aufs Geratewohl nach Polen fahren!«
»Das hat doch alles noch einen Tag Zeit«, versuchte Pia zu argumentieren, aber ihre zukünftige Chefin zeigte sich unnachgiebig.
»Dr. Nierhoff hat mich befugt, in seinem Namen Entscheidungen zu treffen, und die treffe ich hiermit. Sie fahren nicht nach Polen. Das ist ein Dienstbefehl.« Dr. Engel hielt einen Abhefter in ihrer sorgfältig manikürten Hand. »Hier gibt es nämlich schon neue Probleme.«
»Aha. « Bodenstein zeigte wenig Interesse.
»Der Anwalt der Familie Kaltensee hat eine offizielle Beschwerde wegen Ihrer Verhörmethoden an das Innenministerium gerichtet. Er bereitet derzeit eine Anzeige gegen Sie beide vor.«
»So ein Quatsch«, schnaubte Bodenstein verächtlich. »Die wollen uns mit allen Mitteln einschüchtern, weil sie merken, dass wir ihnen auf den Fersen sind.«
»Sie haben noch ein weitaus gravierenderes Problem am Hals, Herr von Bodenstein. Der Anwalt von Frau Kaltensee bezeichnet das hier bisher nur als Nötigung. Wenn er Ihnen übelwill, wird daraus schnell eine Vergewaltigung.« Sie schlug den Abhefter auf und hielt ihn Bodenstein hin. Der wurde knallrot.
»Frau Kaltensee hat mich in eine Falle gelockt, um ...«
»Machen Sie sich
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