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Tiefe

Tiefe

Titel: Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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übereinstimmte. Die Differenz war groß, nicht weniger als drei Meter. Die korrekte Tiefe betrug vierzehn Meter, nicht siebzehn. Eine Kontrolle der umgebenden Tiefen zeigten keine Abweichung von der Seekarte. Sie waren auf eine unerwartete Kuppe weit unten in der Tiefe gestoßen. Eine spitz zulaufende begrenzte Steinformation, mitten in einem Gebiet, in dem der Boden sonst eben war.
    Lars Tobiasson-Svartman hatte den ersten der gesuchten Punkte gefunden. Eine Fehlangabe, die er korrigieren konnte. Eine Tiefe war weniger tief geworden.
    Aber insgeheim suchte er nach etwas ganz anderem. Nach einer Stelle, an der das Lot den Boden nicht erreichte.
    Einen Punkt, an dem die Lotleine nicht länger ein technisches Instrument war, sondern sich in ein poetisches Werkzeug verwandelte.
    Die jetzige Strecke machte einen Bogen um einige Verschlammungen südlich der Halsskär-Schäre am offenen Meer. Die westliche Seite war noch nicht kartiert worden. Möglicherweise würden sie dort eine Rinne finden, tief und breit genug für Schiffe mit einem Tiefgang wie dem des Panzerschiffs Svea.
    Im Reisearchiv las er, daß die Schäre bis ins 18. Jahrhundert hinein Vredholmen geheißen hatte. Er suchte nach einer Erklärung dafür, daß die karge Schäre, mit einem Umfang von tausend Metern, den Namen gewechselt hatte. Ein Mensch kann aus verschiedenen Gründen den Namen wechseln. Er selbst hatte es getan. Aber warum ändert man den Namen einer Schäre weit draußen im offenen Meer?
    Ließ der Name Vred vermuten, daß jemand wütend gewesen war, oder daß sich etwas gedreht hatte? Man konnte belegen, daß sie mindestens 250 Jahre lang denselben Namen gehabt hatte. Dann, irgendwann zwischen 1712 und 1740, wurde die Schäre umbenannt. Danach gab es Vredholmen nicht mehr, nur noch Halsskär.
    Er dachte über das Rätsel nach, ohne eine vernünftige Erklärung zu finden.
    Am Abend, nachdem er seine eigenen Aufzeichnungen und die des Marineingenieurs Welander in das Logbuch der Expedition eingetragen hatte, ging er hinaus an Deck. Das Meer war immer noch still. Ein paar Matrosen waren dabei, einen Schaden am Fallreep zu reparieren. Er blieb stehen und betrachtete Halsskär.
    Plötzlich glomm etwas auf. Er kniff die Augen zusammen. Das Blinken wiederholte sich nicht. Er ging in seine Kajüte und holte den Feldstecher. Da war nichts anderes als die Dunkelheit über den blankgeschliffenen Klippen.
    Am selben Abend schrieb er einen Brief an seine Frau. Es war eine dürftige Geschichte von Tagen, die kaum voneinander zu unterscheiden waren.
    Er schrieb nichts von Rudin. Auch das Treibnetz, das er am Morgen gesichtet hatte, erwähnte er nicht.
    Am folgenden Tag kletterte er in der Morgendämmerung hinunter zu einer der Jollen, die an einer Fangleine am Heck der Blenda befestigt waren. Er machte die Fangleine los und begann, in Richtung Halsskär zu rudern. Es war windstill, das Meer roch herb nach Salz und Lehm. Er ruderte mit kräftigen Schlägen über die Dünung und fand eine Felskluft an der Westseite der Schäre, wo er trockenen Fußes an Land kommen konnte. Er zog die Jolle hoch, schlang die Fangleine um einen Stein und lehnte sich dann gegen die abschüssige Felswand. Die Blenda lag östlich von Halsskär vor Anker. Er war allein. Nicht einmal die Geräusche des Schiffs erreichten ihn.
    Die Schäre ruhte im Meer. Es war, als befände er sich in einer Wiege oder auf einem Totenbett. Von der Klippe flüsterten all die verborgenen Stimmen, die im Stein ruhten. Auch Steine bargen Erinnerungen, genau wie Wellen und die Dünung. Dort unten in der Dunkelheit gab es auch Erinnerungen, tief dort unten, wo Fische an unsichtbaren und stillen Fahrwassern entlangschwammen.
    Die karge äußere Schäre war wie ein mittelloser Mensch, ohne jedes Verlangen. Auf der Klippe nichts als Flechten, Heide, verstreute Grasbüschel, vom Sturm verdrehte niedrige Wacholderbüsche und Tangblüten ganz unten am Wassersaum.
    Plötzlich überfiel ihn eine heftige Sehnsucht nach seiner Frau. Beim nächsten Treffen mit Fregattenkapitän Rake würde er den Brief an sie abschicken.
    Erst dann konnte er damit rechnen, daß sie antwortete. Er war mit einer Frau verheiratet, die auf Briefe antwortete, die nie von sich aus schrieb.
    Er kletterte auf den Gipfel der Schäre. Die Klippen waren glatt, und er rutschte aus. Von dort oben konnte er die Blenda in der Ferne sehen, wie sie sich auf der Dünung hob und senkte. Er richtete den Feldstecher auf das Schiff. Gegenstände und

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