Tiefe
hatte man ihm aus er Hand genommen, ehe man seine Hände auf der B rust gefaltet hatte. Lars Tobiasson-Svartman betrachtete den Brustkorb des Toten, als könnte es dort Spuren von v ergessenen Atemzügen geben. Er öffnete die Schublade der in der Wand v erankerten Kommode. Darin lagen ein paar Notizbücher und eine gerahmte Photographie. Sie eigte eine Frau. Mit scheuen Augen sah sie den P hotographen an. Sie war sehr schön. Wie verhext t arrte er auf das Bild. Es war eine der schönsten F rauen, die er je gesehen hatte. Auf der Rückseite and der Name Emma Liden.
Er setzte sich auf den Stuhl und begann, in den Notizbüchern zu blättern. Zu seinem Erstaunen entdeckte er, daß Jakobsson parallel zum offiziellen Logbuch ein privates Tagebuch geführt hatte.
Lars Tobiasson-Svartman warf einen Blick auf den Mann, dessen Gesicht von einem Taschentuch bedeckt war. Es war gefährlich und zugleich lustvoll, in seine Welt einzudringen. Er blätterte zurück bis zu dem Datum, an dem er selbst zum ersten Mal an Bord gekommen war.
Er brauchte eine Stunde, um zu Ende zu lesen. Die letzte Aufzeichnung hatte Jakobsson nur ein paar Stunden vor seinem Ableben gemacht. Er hatte »einen Schmerz im linken Arm, einen vagen Druck auf der Brust« notiert und darüber nachgedacht, warum er in den letzten Tagen unter Verstopfung litt.
Lars Tobiasson-Svartman war erschüttert. Der Mann, der sein Leben mit einer bekümmerten Bemerkung über seine schlechte Verdauung abschloß, war im Besitz gewaltiger Kräfte gewesen, in der Liebe wie im Haß.
Emma Liden war seine heimliche Verlobte, aber sie war bereits an einen anderen Mann gebunden und hatte mehrere Kinder. Die Tagebücher waren voll von Aufzeichnungen über Briefe, die gewechselt und dann verbrannt wurden, über eine Liebe, die alle Grenzen überschreitet, die eine unendliche Gnade ist, aber nie etwas anderes werden kann als ein Traum. Der Satz »am Morgen wieder weinend aufgewacht« kehrte in gleichmäßigen Abständen wieder.
Lars Tobiasson-Svartman versuchte, es vor sich zu sehen. Der Mann mit der Pfeife und der verkrüppelten Hand, weinend in seiner Kajüte. Doch das Bild blieb nur ein trüber Dunst.
Nie hätte er sich vorgestellt, daß Jakobsson ihn so intensiv haßte. Schon von dem Augenblick an, als er an Bord gekommen war, hatte Jakobsson ihn nicht gemocht. »Auf diesen Mann werde ich mich nie verlassen können. Seine reservierte Haltung erscheint zu vergegenwärtigen, als er den Kommandanten der Blenda zum ersten Mal getroffen hatte. Sein Eindruck war ein ganz anderer gewesen. Jakobsson mußte ein Mann gewesen sein, der sein Inneres nach außen kehrte.
Er war der gewesen, der er nicht war.
Lars Tobiasson-Svartman hatte alle Tagebuchabschnitte gelesen, die seine Zeit an Bord betrafen. Jakobsson nannte ihn nie beim Namen, bezeichnete ihn nur mit einem einzigen Wort, das tiefe Verachtung ausstrahlte - »der Seevermesser«.
Es klingt wie eine Larve, dachte er. Ein Wurm, der sich in den Rissen seines Schiffs verbirgt.
Der Haß, der aus dem Tagebuch aufstieg, war unförmig wie ein Klumpen Schlamm, der sich auf den Seiten ausbreitete. Jakobsson begründete seinen Widerwillen und seinen Abscheu nicht. Lars Tobiasson-Svartman war nur »widerlich, ein verdammter Schlammtaucher, eingebildet und einfältig. Außerdem riecht er genau wie der Bodenschlamm. Er hat Schlamm im Maul, er ist ein Mann, der vermodert.«
Es war fast halb zwei, als er das letzte Tagebuch zuklappte. Eine angebrochene Flasche Kognak ragte aus einem Stiefel. Er zog den Korken heraus und trank. Er nahm das Taschentuch weg und träufelte Kognak in die Nasenlöcher und Augenwinkel. Dann riß er Leutnant Jakobssons Hose auf, betrachtete das verschrumpelte, eingezogene Glied und beträufelte auch dieses mit Kognak. Er steckte die Flasche wieder in den Stiefel, legte das Taschentuch zurück und verließ die Kajüte mit den Tagebüchern in der Hand.
In seiner eigenen Kajüte nahm er das wasserdichte Futteral, das er für seine Vermessungsprotokolle benutzte, und legte die Tagebücher zusammen mit einer Stahlkante des Hellegatts, die er losgetreten hatte, hinein.
Er ging hinaus an Deck, zur Reling hin, wo keine der Nachtwachen ihn sehen konnte, und ließ die Tagebücher mit dem Senker ins Wasser fallen.
Von fern hustete einer der Wachtposten. Der schwache Widerschein des Halbmonds bildete eine Straße auf dem Wasser zwischen dem Schiff und dem Leuchtturm von Sandsänkan.
Er blieb lange an der Reling stehen. Auch
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