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Tiefe

Tiefe

Titel: Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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breit, daß er wiederholen mußte, was er gesagt hatte, damit Lars Tobiasson-Svartman ihn verstand.
    »Ich glaube, Leutnant Jakobsson ist tot.«
    Lars Tobiasson-Svartman betrachtete den Mann, der auf dem Rücken lag. Die Pfeife hielt er in der rechten Hand, der gebrochene Blick war auf einen Punkt über seinem Kopf gerichtet.
    Leutnant Jakobsson wurde in seine Kajüte getragen. Freden, der Erfahrung als Sanitäter hatte, suchte an vielen verschiedenen Stellen nach dem Puls, bevor er feststellte, daß Jakobsson verstorben war. Der genaue Zeitpunkt des Todes wurde im Logbuch eingetragen. Freden übernahm das Kommando an Bord. Seine erste Handlung war, für den Marinestab in Stockholm eine Meldung über das Vorgefallene zu verfassen. Der Funker verschwand in seiner Kajüte, um die Mitteilung zu senden.
    Für einen Moment war Freden mit Lars Tobiasson-Svart-man allein. Beide waren erschüttert.
    »Woran ist er gestorben?«
    Freden verzog das Gesicht. »Schwer zu sagen. Es ging schnell. Jakobsson war noch verhältnismäßig jung. Er trank nicht mehr als andere, jedenfalls nicht wie ein besinnungsloses Schwein. Zuviel gegessen hat er auch nicht. Gelegentlich klagte er über Schmerzen im linken Arm. Das wird heute von einigen Ärzten als Symptom dafür gewertet, daß das Herz nicht ganz gesund ist. Die Art, wie er einfach umgefallen ist, kann auf einen großen Schlaganfall hindeuten. Entweder ist das Herz betroffen, oder ein Blutgefäß im Kopf ist geplatzt.«
    »Er schien ganz gesund.«
    »Choral 452«, sagte Freden. »>Ich geh zum Tode, wo ich geh.< Wir singen ihn bei Seebestattungen. Wir haben das auch bei dem toten deutschen Matrosen gemacht, den wir an Bord hatten. Eigentümlicherweise scheinen nur wenige Menschen einzusehen, daß der Choralverfasser Wallin wußte, wovon er sprach. Er erinnert uns alle an das, was uns erwartet. Wir müssen versammelten Besatzung mitzuteilen, was alle schon wußten, daß Leutnant Jakobsson tot war.
    Lars Tobiasson-Svartman fuhr fort, den toten Mann zu betrachten. Es war der dritte Tote, den er in seinem Leben sah. Erst den Vater, dann den deutschen Matrosen und jetzt Leutnant Jakobsson.
    Der Tod ist Stille, dachte er. Nichts sonst. Umgestürzte Bäume, die mit blanken Wurzeln daliegen.
    Vor allem Stille. Der Tod beginnt seinen Auftritt damit, daß er den Menschen die Zunge lähmt.
    Für einen kurzen Moment war ihm, als würde er selbst umfallen. Er mußte sich an der in der Wand verankerten Kommode festhalten und die Augen schließen. Als er sie wieder aufschlug, war ihm, als hätte Leutnant Jakobsson die Stellung gewechselt. Rasch verließ er die Kajüte.
    ein unsichtbarer Trauerflor senkte sich auf das Schiff. Es dämmerte schon, als Freden die Besatzung auf dem Vordeck antreten ließ. Einige Scheinwerfer des Schiffs brannten. Die Bogenlampen sprühten von nächtlichen Insekten, die zum Licht flatterten und verbrannten.
    Lars Tobiasson-Svartman stellte sich eine Bühne vor. Ein Schauspiel, das gleich beginnen würde. Oder vielleicht eher der letzte Akt und der Epilog. Das Ende von Leutnant Jakobssons Geschichte.
    Leutnant Freden sprach sehr kurz. Er mahnte die Besatzung zu Besonnenheit und ungebrochener Disziplin. Dann löste er die Versammlung auf.
    In dieser Nacht lag Lars Tobiasson-Svartman schlaflos da, obwohl er sein Lot umklammerte. Gegen Mitternacht stand er auf, zog sich an und ging hinaus an Deck. Der Auftrag war erfüllt, der Tod umgab ihn, auf einer Schäre lebte eine Frau, die ihn aufwühlte, und er ersehnte und fürchtete zugleich das Wiedersehen mit seiner Frau. Er hatte die Tiefen des Meeres beim Leuchtturm von Sandsänkan vermessen. Aber es war ihm nicht gelungen, seine Entdeckungen mit den Fahrwassern zu koordinieren, die er in sich trug.
    Das Schiff bewegte sich sacht auf der Dünung. Es rinnerte an ein großes Tier, das sich in einem 'erschlag bewegte. Die nächtliche Kälte ließ ihn chaudern. Er machte einen Rundgang auf dem Schiff. D ie Nachtwachen salutierten. Er erwiderte den Gruß m it einem Nicken. Plötzlich stand er an der Tür zu Ja kobssons Kajüte. Jetzt, da der Kommandant tot war, sc hien es ihm nicht mehr notwendig, seinen Titel zu gerauchen, wenn er an ihn dachte. Er überlegte flüchtig, wo Freden schlafen würde. bisher hatte er die Kajüte mit Jakobsson geteilt. Der Tote lag noch da drinnen. Eine Laterne stand auf em Tisch, der Lichtschein schimmerte unter der Tür h ervor. Jemand hatte Jakobssons Gesicht mit einem T aschentuch bedeckt. Die Pfeife

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