Tiefe
Gesicht verschwand.
Ich versiegele diese Reise, dachte er. Jetzt ist sie vorbei. Ich habe meinen Auftrag erledigt. Was von mir erwartet wurde, habe ich ausgeführt. Ich werde kaum Lob ernten, das ist beim Marinestab nicht üblich. Aber ich werde neue Aufgaben bekommen, weiterhin Verantwortung tragen, und früher oder später werde ich im Rang steigen. Ich wandere weiter auf den unsichtbaren Stufen des Lebens.
und kleine Küstensegler waren mit ihrem Fang unterwegs zur Stadt. Graue Menschen hockten an den Ruderpinnen und neben den Masten.
Er nahm ein rasches Frühstück in der Offiziersmesse ein. Ohne sich einzumischen, verfolgte er eine hitzige Diskussion zwischen einem Leutnant und einem Maschinenoffizier. Der Leutnant, bleich und rothaarig, meinte mit schriller Stimme, daß der Ausgang des Kriegs abzusehen sei. Deutschland werde ihn gewinnen, da diese Nation eine Wut in sich trage, die den Engländern abhanden gekommen sei. Der Maschinenoffizier war der Ansicht, Deutsche und Russen seien hochmütig, sie trügen »Napoleons Stiefel«, sagte er, die Stiefel der Niederlage, und das würde sich rächen.
Lars Tobiasson-Svartman verließ die Messe und ging an Deck. Welche Stiefel trage ich ? dachte er. Sie befanden sich jetzt in der Nahe von Djurgärden. Er dachte an seinen nächtlichen Traum. Was hatte er bedeutet? Der deutsche Soldat, der aus der Tiefe bei Sandsänkan wiedergekehrt war, was wollte er?
Eine Warnung, dachte er. Nicht zu schnell vorzugehen, nicht zu schnell zu vergessen.
Weiter kam er nicht. Ein Gedanke blockierte den anderen. Ein Gedankenkurzschluß.
Regattenkapitän Rake verabschiedete sich von ihm, nachdem das Schiff festgemacht hatte. Ein Matrose trug bereits sein Gepäck auf den Kai und winkte einen Mann mit einem Karren zu sich.
Rake betrachtete ihn. Das Licht der Morgendämmerung war sehr scharf. »Sie sind bleich«, sagte er. »Bleicher als gestern.«
»Vielleicht fordert die Müdigkeit ihr Recht.«
Kapitän Rake nickte nachdenklich. »Wie nach einem Zusammenstoß von Kriegsschiffen«, sagte er. »Während es geschieht, merkt man nichts. Ärzte haben festgestellt, daß es ein rein physischer Prozeß ist. Etwas, das sie Adrenalin nennen, wird durch den Körper gepumpt. Ein schöner chemischer oder biologischer Name für menschlichen Blutdurst. Wenn man tot ist, wird der Blutdurst vergeblich durch den Kreislauf gepumpt. Wenn man am Leben ist, wird man von großer Müdigkeit überwältigt. Ob man gewonnen oder verloren hat, ist weniger wichtig. Besser gesagt, hat man überlebt, hat man gewonnen, auch wenn man auf der Seite der Besiegten ist.«
Rake brach abrupt ab, als hätte er sich dabei ertappt, etwas Unpassendes zu sagen. »Ich rede manchmal zuviel«, sagte er verlegen. »Ich sage oft zu den Menschen in meiner Umgebung, sie sollten das Maul halten. Aber ich lebe nicht immer so, wie ich lehre.«
Er streckte sich, salutierte und gab ihm die Hand. »Viel Glück.«
»Danke.«
Lars Tobiasson-Svartman ging den Landungssteg hinunter. Als er sich umdrehte, war der Kapitän verschwunden. Er tat ein paar unsichere Schritte, schwankte. Dasselbe Unbehagen hatte er empfunden, wenn er auf Halsskär war. Auf einem Schiff war er es, der die Balance halten mußte, an Land hatten die Erde oder der Stein unter seinen Füßen die Verantwortung dafür, daß er nicht fiel.
Der Matrose salutierte und verschwand. Der Mann, der den Karren mit dem Gepäck zog, war alt und zahnlos. Seine Wangen waren eingesunken, er röchelte. Um den Karren in Gang zu bringen, mußte Lars Tobiasson-Svartman bei den ersten Metern schieben helfen.
Die Stadt lärmte um ihn her. Sie kam ihm verrostet vor, mit Lehm beschmiert, all diese Häuser, Bäume, Straßen und Menschen, die ihn plötzlich umgaben.
Die Stadt wälzte sich über ihn, ganz unerwartet, vielleicht war es erschreckend, vielleicht schön.
Er nahm nicht den geraden Weg nach Hause. Etwas von der Trägheit des großen Schiffs, die Geschwindigkeit langsam zu drosseln, ohne übertriebene Eile einen großen Kurswechsel vorzunehmen, steckte auch in ihm. Er konnte nicht zu früh durch die Tür der Wohnung in der Wallingata treten. Das wäre, als würde man unbeherrscht den Steven in den Kai rammen.
Beim ersten Mal, als er nach seiner Heirat mit einem Auftrag unterwegs war, hatte er ihr vor seiner Rückkehr eine telegraphische Mitteilung geschickt. Das war das einzige Mal. Er hatte diesen Fehler nicht wiederholt.
Er ließ den zahnlosen Mann vor dem Haus in der
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