Tiefe
ist?«
»Ich sage doch, daß ich das nicht weiß.« habe nur die Eissporen gefunden und sah das Blut daran kleben.«
»Ich wollte dir einen Teil der Wahrheit ersparen. Er hat die Katze mit den Eissporen umgebracht. Ich habe sie auf dem Eis gefunden.«
Sie sagte nichts.
»Du glaubst also, daß ich dir etwas erzählt habe, was nicht wahr ist? Glaubst du, ich würde so etwas wagen? Verstehst du nicht, daß ich eine Todesangst habe, dich zu verlieren?«
Zu seinem Erstaunen spürte er, daß es genau das war, wovor er Angst hatte. Sie sah ihn lange an. Dann beschloß sie, ihm zu glauben. Um Haaresbreite wäre der Deckel über dem Abgrund zerbrochen.
An diesem Abend und in der Nacht war er ganz ruhig. Alle Entfernungen hatten ihren Sinn verloren. Er hatte Kontrolle über sich selbst und über Sara Fredrika. Die Eissporen hatten eine glaubhafte Erklärung gefunden, ihre Unruhe war verflogen.
In dieser Nacht sprachen sie über das Kind und was danach geschehen würde.
»Wenn es soweit ist«, fragte er, »wer hilft dir?«
»Es gibt eine Hebamme auf Kräkmarö, Frau Wester. Sie weiß, daß ich in Erwartung bin. Aber du mußt nach Kräkmarö segeln und sie holen.«
Vor allem wollte sie über die Zukunft sprechen, über die Zeit nach der Schäre. Sie konnte sich nicht vorstellen, daß es für das Kind eine andere Verbindung zu Halsskär geben sollte als die: Es war der Ort, an dem es geboren wurde und den es danach verließ. In seiner Phantasie hatte er sich einen Plan für ihre Abreise nach Amerika zurechtgelegt. Er erzählte von der Gefahr durch die Kriegsschiffe, die entlang der europäischen Fahrwasser Richtung Westen jagten. Aber dank seiner Beziehungen würden sie in aller Verschwiegenheit mit einem schwedischen Schiff in einem geheimen Fahrwasser nördlich von Island fahren. Alles war geplant, das einzige, was nicht festgelegt werden konnte, war der exakte Zeitpunkt der Abreise. Sie mußten warten und dann kurzfristig aufbrechen.
»Sollen wir hier warten? Wer wird uns abholen?«
»Dasselbe Schiff, mit dem ich zum ersten Mal hergekommen bin.«
Seine Antworten beruhigten sie. Ich schaffe Zeit, dachte er. Ich vergrößere den Abstand zu dem Punkt, an dem ich einen endgültigen Entschluß fassen muß.
Er legte die Hand auf ihren Bauch und spürte, wie das Kind sich bewegte. Es war, als wölbte er seine Hand über eine Flunder auf einem Sandboden. Das Kind bewegte sich unruhig unter seiner Handfläche, als versuchte es zu entkommen.
War es mit Kindern auch so? Daß sie dem Unausweichlichen entkommen wollten?
Er wölbte seine Hand. Die Flunder bewegte sich unter seiner Handfläche.
Lines Nachts weckte sie ihn.
»Ich höre jemanden schreien«, sagte sie.
Er lauschte. Es war windstill. »Ich höre nichts.«
»Es ist ein Mensch, der schreit.«
Er zog seine Hose an und ging hinaus. Die Erde war kühl unter seinen Füßen.
Da hörte er es, ein ferner Schrei. Es kam vom Meer her.
Sie hatte sich mühsam von der Pritsche erhoben und stand in der Türöffnung. Ihr Gesicht war weiß im Nachtlicht. »Hörst du?«
»Ich höre.«
Sie lauschten. Der Schrei kehrte wieder. Er war immer noch unsicher, ob er von einem Vogel kam oder von einem Menschen. Auch ein Vogel konnte sich in Not befinden, er erinnerte sich an den eingefrorenen Vogel im letzten Winter. Gefrorene Flügel, dachte er, wir müssen ständig unsere Flügel auftauen, um abheben zu können. Und irgendwann geht es nicht mehr.
Wieder ertönte der Schrei. Er ging auf den Berg hinauf, folgte der Richtung des Schreis. Er kam von Südwesten. Schließlich war er sicher, daß es ein Mensch war. Er war auf dem Weg zur Bucht, um mit dem Boot abzulegen, als es aufhörte. Er wartete. Das Meer war still.
Er kehrte in die Hütte zurück. Sie fror, drückte sich an ihn, er legte ihr den Arm um die Schultern. Sie lagen bis in die Morgendämmerung hinein wach und fragten sich, was es gewesen war, ein Mensch oder ein Vogel.
Früh ging er mit seinem Feldstecher auf die höchste Spitze und spähte aufs Meer hinaus.
Da war nichts. Die Dünung rollte langsam gegen die Inseln. Er stellte sich vor, das Meer sei wie eine alte Frau in einem Schaukelstuhl. Ein Sturm aus Nordost mit niedrigen Temperaturen zog über das Schärenmeer.
Dann kehrte die Flaute zurück. Sara Fredrika fiel es immer schwerer, sich zu bewegen, ihr Rücken plagte sie.
Er fischte und stellte sich vor, der Verwalter von Halsskär zu sein. Selten dachte er an Kristina Tacker und das neugeborene Kind. Die
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