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Tiefe

Tiefe

Titel: Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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erinnerte.
    Sie legten in einer Bucht kurz vor der Einmündung von Slätbaken an.
    Auf der gegenüberliegenden Seite der engen Bucht hatte er mit Sara Fredrika übernachtet.
    Plötzlich befiel ihn ein furchtbares Gefühl von Angst. Es war, als führe er nicht mehr südwärts durch das innere Schärenmeer von Östergötland, sondern würde an dem Lotseil in seinem eigenen Innern hinabgelassen.
    Ihm stockte der Atem. Erst als das Feuer heruntergebrannt war und die Knechte schliefen, spürte er, daß die Panik langsam nachließ. Er schaute auf die schnarchenden Knechte. Ich beneide sie, dachte er. Aber zwischen ihrem Leben und meinem eigenen gibt es einen Abstand, der nicht zu überbrücken ist.
    Sie befanden sich zwischen Rökholmen und Lilla Getskär, als Gösta abermals fragte, wo er an Land gesetzt werden wolle.
    Der Wind hatte über Nacht aufgefrischt, und sie segelten schnell nach der Nachtruhe.
    »Halsskär«, antwortete Lars Tobiasson-Svartman.
    Die Knechte sahen ihn fragend an.
    »Das Felsinselchen draußen im Meer? In Richtung der Leuchttürme und der Robbenfelsen?«
    »Es gibt ein Halsskär südlich von Västervik und ein anderes in der Nähe von Härnosand. Aber dahin sollt ihr mich nicht bringen.«
    »Was hast du auf der verdammten Schäre zu suchen? Da wohnt ein verrücktes Weib, ist sie es, die du treffen willst?«
    »Ich kenne keinen Einheimischen auf dieser Insel. Ich habe meine Anweisungen. Ich soll dort abgeholt werden.«
    Die Knechte schienen belustigt. »Es heißt, daß finnische Wilderer, die in den äußeren Schären herumziehen, bei ihr einkehren und sich abstreifen, auf dem Weg hinaus und auf dem Heimweg«, sagte Elis.
    Lars Tobiasson-Svartman wurde es ganz kalt. Aber auch wenn er sie hätte töten können, wollte er wissen, welche Gerüchte umgingen. »Gibt es eine Hure auf der Schäre? Wie ist sie da gelandet?«
    »Ihr Mann ist ertrunken«, sagte Gösta. »Wovon sollte sie sonst leben? Ich habe sie gesehen. Ein richtiges verdammtes Drecksweib. Man muß schon sehr geil sein, wenn man mit ihr ins Bett will.«
    »Hat sie einen Namen?«
    »Sara. Obwohl andere Fredrika sagen.«
    Die Knechte verstummten. Das Segelboot machte gute Fahrt. Allmählich erkannte er jetzt die Inseln, die Buchten breiteten sich aus, das Eis, das hier gelegen hatte, war eine ferne Erinnerung.
    Er stellte sich die Knechte tot vor, tief unten am Boden des Meeres. Spätnachmittags lief das Segelboot in die Bucht ein, in der Sara Fredrikas Boot vertäut lag.
    Er übergab zwei Literflaschen und sprang an Land. »Wenn jemand fragt, hattet ihr niemand aus Söderköping dabei«, sagte er.
    »Wer sollte uns fragen?« sagte Gösta. »Wen kümmert es, wen ein paar verdammte Knechte mit im Boot haben?«
    »Es darf nicht herauskommen. Es herrscht Krieg, und was ich tue, ist geheim. Ein einziges Wort darüber, wo ich an Land gegangen bin, kann euch lebenslänglich ins Gefängnis bringen.«
    Sie steuerten nach Süden. Er sah ihnen nach. Sie saßen in eifrigem Gespräch miteinander. Aber er dachte, daß sie nichts von ihm erzählen würden. Er hatte sie ausreichend eingeschüchtert.
    Er betrachtete die Netze, den Fischkasten, die Geräte, die Senksteine. Das Boot war vertäut, es mußte nicht hochgezogen werden, wenn das Wasser stieg. Er sah hinüber zum Pfad und all dem Grün, das in den Felsspalten und an den Hängen wucherte.
    Er versuchte, um sich her einen Raum zu schaffen. Aber keine Wände wollten sich erheben.
    Das erste, was er vor dem Häuschen sah, war eine Katze, die ihn mit wachsamen Augen betrachtete. Er hatte das Gefühl, es sei dieselbe Katze, die er in seiner Raserei totgeschlagen hatte.
    Er verachtete das Übernatürliche. Der Mensch arbeitete ständig daran, seine Götter überflüssig zu machen. Er war ein messendes Geschöpf. Eines Tages würden die Zeit und vielleicht auch der Raum mit bisher unbekannten Maßstäben zu messen und zu kontrollieren sein. Das Übernatürliche waren Schatten, die in den Resten der kindlichen Angst vor der Dunkelheit herumtanzten. Normalerweise gelang es ihm, ihnen zu widerstehen. Aber die Katze erschreckte ihn.
    Sie verschwand, als er zum Fenster ging.
    Sara Fredrika lag auf der Pritsche und schlief. Er starrte auf ihren enormen Bauch.
    Sie mußte ihn gehört oder vielleicht eine Bewegung am Fenster geahnt haben. Sie wandte ihm ihr Gesicht zu und schrie vor Freude auf. Er öffnete die Tür und nahm sie in die Arme. Sie war warm und verschwitzt, es dampfte um ihren
    Körper. Sogleich

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