Tiefe
auf, jemand betrachtete die Vorgänge durch ein Fernglas.
Lars Tobiasson-Svartman sagte zu Sara Fredrika, sie solle warten, und ging zu der Filmgesellschaft hinunter. Die Frauen waren jung und auffallend schön. Der Mann mit dem Schwanz hatte ein Gesicht, das er zu kennen meinte. Als er die Hand ausstreckte, um zu grüßen, erinnerte er sich, daß er ihn einmal auf der Bühne des Dramatischen Theaters gesehen hatte. Der Schauspieler hieß Valfrid Mertsgren, das Stück war »Die Hochzeit auf Ulfäsa«.
Mertsgren nahm seine Hand nicht, sondern betrachtete ihn irritiert. »Wer sind Sie?« fragte er. »Die Leute haben uns gesagt, diese Schäre sei unbewohnt. Es soll eine verfallene Hütte geben, die wir nutzen könnten.«
»Ich wohne hier, zusammen mit meiner Frau.«
»Aber man kann doch zum Teufel hier nicht wohnen ? Wovon leben Sie?«
»Vom Fischfang.«
»Wrackplünderungen ?«
»Wenn jemand in Not ist, helfen wir. Wir plündern nicht.«
»Das tun alle«, sagte Mertsgren. »Der Mensch ist gierig. Wenn es ihm gelingt, stiehlt er seinem Nächsten das Herz.«
Der Kameramann und die beiden weißgekleideten Frauen hatten sich zu ihm gesellt.
»Kann man hier wirklich wohnen?« fragte eine der Frauen. »Was macht man im Winter?«
»Wenn man das Meer hat, hat man zu essen.«
»Können wir nicht ihn und die dicke Frau mit in den Film nehmen«, sagte die andere Frau mit einem schrillen Lachen.
»Sie ist nicht dick«, sagte Lars Tobiasson-Svartman.
Die Frau, die den Vorschlag gemacht hatte, sah ihn verwundert an.
Er haßte sie besinnungslos. »Sie ist nicht dick«, wiederholte er. »Sie ist schwanger.«
»Sie können auf keinen Fall mitmachen«, sagte Mertsgren. »Man kann keine schwangere Frau dabeihaben. Dies ist ein romantisches Abenteuer, schöne Tableaus im Wechsel mit erschreckenden. Aber keine Frauenzimmer, die zur Gärung angesetzt sind.«
Lars Tobiasson-Svartman war kurz davor, ihn zu schlagen.
Aber er beherrschte sich, sprach langsam, um nicht preiszugeben, was er fühlte. »Warum einen Film hier auf Halsskär drehen?« fragte er in einem freundlichen Ton. »Warum gerade hier?«
»Das ist eine gute Frage«, erwiderte Mertsgren. »Ich weiß tatsächlich nicht, warum wir gerade hier drehen
ist Großhändler, und jetzt investiert er sein Geld in diesen unwahrscheinlichen Wust von einem Manuskript, das wir verfilmen sollen. Vielleicht hat er nichts anderes, um sein Geld zu verschleudern. Er verdient unwahrscheinlich an dem Krieg, spuckt Nägel und Sprengstoff aus. Sehen Sie, wie das Boot heißt?«
Zu seiner Überraschung sah Lars Tobiasson-Svartman, daß am Bug der Lustjacht der Name Goeben geschrieben stand. Derselbe Name wie der des deutschen Schlachtschiffs, dessen Bild auf seinem Schreibtisch stand und das er bewunderte, obwohl er es noch nie in Wirklichkeit gesehen hatte.
Eine Lustjacht und ein Schlachtschiff, dachte er, mit demselben Namen. Weißgekleidete Frauen mit großen Hüten, sterbende Menschen, eingesperrt in einem brennenden Schiff, ein Krieg und ein Mann, der einen Haufen Geld verdient.
»Ich verstehe«, sagte er.
»Was verstehen Sie?« fragte Mertsgren.
»Daß Großhändler Hultman den Krieg und den Tod liebt.«
»Ob er den Tod liebt, weiß ich nicht. Er liebt es, badende Frauen durchs Fernglas zu beobachten. Er hält sich in einer passenden Entfernung, um nicht sichtbar zu sein, niemand denkt daran, daß er da ist, und dann stellt er das Fernglas auf die Frau oder den Körperteil ein, für den er sich entschieden hat.«
»Aber er liebt den Krieg und den Tod wegen der Nägel.«
»Jedenfalls liebt er die Deutschen. Sie sind wie seine Nägel«, sagt er. »Gerade, stramm, alle gleich. Er liebt die deutsche Ordnung, hofft, daß der Krieg vom Kaiser gewonnen wird, verflucht Schweden, das den Schnabel hält und sich hinter abgeschalteten Leuchttürmen verbirgt. Aber er bezahlt gut dafür, daß wir diesen Ramsch drehen. Er sitzt im Boot und was nach erotischem Scherz riecht. Schweinereien, mit anderen Worten. Zu Ihnen, als Fischer, würde er sagen, daß er nur in der Lendenbucht angelt.«
Er betrachtete den Schwanz, den er in der Hand hielt. »In allen entsetzlichen und erniedrigenden Rollen, die ich in meinem Leben habe spielen müssen, ist es mir immerhin erspart geblieben, einen Schwanz zu tragen. Bis jetzt. Hamlet hat keinen Schwanz, ebensowenig wie Lear oder der Eingebildete Kranke. Aber was tut man nicht für tausend Kronen? Das bezahlt er für die Arbeit einer Woche, und
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