Tiefe
verdrängte er alle Gedanken an Kristina Tacker und Laura.
Jetzt gelang es ihm, die Wände zu errichten. Es gab nichts außerhalb von Halsskär, nichts, was er nicht mehr kontrollieren konnte. Er hielt alle Abstände in seinen Händen.
»Wie bist du gekommen?« fragte sie. »Ich habe nichts gehört. Und hatte auch keine Vorahnung.«
»Ich bin mit ein paar Fischern aus dem Süden gekommen. Von Loftahammar, sagten sie.«
»Die diesen Weg gesegelt sind? Von wo aus?«
»Norrköping.«
»Wie hast du sie gefunden?«
»Im Hafen. Sie hatten ein Segelboot gekauft oder eingetauscht, ich habe es nicht richtig verstanden. Ich hatte Glück. Sonst wäre ich bis Söderköping weitergefahren.«
Nicht einmal die Knechte gehören zu meiner Geschichte, dachte er. Ich gehe auf dem Wasser, ohne Spuren zu hinterlassen.
»Du hast eine neue Katze«, sagte er.
»Ich habe sie von Helge. Nicht daß ich um genau die gleiche gebeten hätte und nicht daß Helge gesehen hätte, was für eine Art von Katze ich früher hatte. Sie ist eine gute Gesellschaft. Aber ihr fehlen die Mäuse, es gibt keine hier auf der Schäre. Und vor Schlangen fürchtet sie sich.«
Sie gingen hinein. Alles war so, wie er es in Erinnerung hatte, niemand schien im Haus gewesen zu sein, seit er abgereist war. Trotzdem stieg eine seltsame Unruhe in ihm auf, ein Verdacht, daß doch etwas während seiner Abwesenheit anders geworden sei.
Es brauchte eine Weile, bis er es erkannte.
Ihre Augen hatten sich verändert. Sie sah ihn auf eine andere Art an. Irgend etwas war doch geschehen.
Er fragte sie am Abend.
Ein Unwetter war von Westen heraufgezogen, die Donnerschläge waren so stark, daß die Wände wackelten. Sie hatte Schmerzen im Rücken und lag ausgestreckt auf der Pritsche.
»Nichts ist geschehen«, antwortete sie. »Die Katze hat Helge an Land geworfen. Ich habe auf dich gewartet, sonst nichts.«
Er hörte intensiv hin und nahm eine Veränderung in der Stimme wahr. Etwas war vorgefallen, aber was? Er sollte nicht weiterfragen, jedenfalls nicht jetzt.
In der Nacht spürte er, daß sie Abstand von ihm hielt. Es war kaum merkbar, aber es war so. Sie war mißtrauisch, vielleicht unsicher. Aber was konnte passiert sein?
Er bekam Angst. Irgendwie wußte sie jetzt, daß er verheiratet war, daß keine Ehefrau und keine Tochter einen Abhang hinuntergefallen waren.
Vorsichtig erhob er sich von der Pritsche, aber sie wachte auf.
»Wohin willst du?«
»Ich muß nur hinaus.«
»Der Rücken tut mir weh.«
»Schlaf. Es dämmert erst.«
»Wie soll ich das Kind hier gebären?«
»Ich hole mit dem Boot Hilfe, wenn es soweit ist.«
Das Unwetter war vorbeigezogen. Das spärliche Gras war naß, Wasser floß von den Klippen hinab. Die Katze kam aus einem Felsspalt unter dem Haus hervor. Sie folgte ihm hinunter in die Bucht, wo er eine kleine Flunder aus dem Fischkasten zog und ihr zuwarf.
Konnte sie trotz allem etwas über ihn erfahren versuchte, den Weg bis zu ihrem ersten Treffen zurückzugehen, ohne etwas zu finden.
Plötzlich stellte er sich vor, der Deserteur sei an die Oberfläche getrieben oder in eins ihrer Netze geraten. Aber das konnte nicht sein. Der Körper konnte nicht wiedergekehrt sein, er hatte den Senkstein ordentlich befestigt. Auch hatte sie keine Netze, die so tief zum Meeresboden reichten.
Er ging auf der Insel herum, mit der Katze als einsamer Nachhut. Die Gewitterwolken waren weitergezogen. Er ging hinauf zur höchsten Spitze, erinnerte sich plötzlich an Leutnant Jakobsson, wie er an seiner Reling gepinkelt hatte.
Ferne Erinnerungen, dachte er. Wie Träume.
Er fragte sich, ob es möglich wäre, sein Lot in der Dunkelheit unter der Oberfläche aller Träume zu versenken.
Weit draußen am Horizont sah er ein Schiff auf dem Weg nach Norden. Er hatte den Feldstecher nicht dabei und konnte nicht ausmachen, ob es ein Kriegsschiff war.
Die Katze war plötzlich verschwunden.
Noch immer verstand er nicht, was geschehen war.
Die Wärme hielt an.
Sara Fredrika fiel es schwer, sich zu bewegen, der Rücken schmerzte, und sie klagte darüber, daß sie nirgends Abkühlung finden konnte. Er fischte und kümmerte sich um das, was getan werden mußte. Wenn er mit den Netzen beschäftigt war, die Fische ausnahm oder Wassereimer trug, konnte er eine große Ruhe empfinden, die Wände rings um ihn her waren immer noch stabil. Hin und wieder erblickte er Kristina Tacker und das neugeborene Kind. Wußte sie, was er getan hatte, daß er ihre Existenz einer
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