Tiefer gelegt
Ganz natürlich.«
»Ich bin es nicht gewohnt, so hoch über dem Erdboden zu
sein«, sagte ich. »Ich mag es eigentlich nicht besonders, so
weit runterzuschauen.« Alexandra Barnaby, Meisterin des
Understatements.
Hooker nahm einen Schluck Kaffee. »Gestern Abend hat
dich das gar nicht gestört. Gestern Abend hat dir alles gefallen. Du hast sogar versucht, mir die Kleider vom Leib zu
reißen.«
»Das ist nicht wahr!«
»Na gut, du hast mich ertappt. Das hast du nicht versucht.
Ich hätte mich durchaus bereit erklärt, aber da warst du schon
im Koma.«
Ich schlich ängstlich zur Küche vor und schenkte mir eine
Tasse Kaffee ein.
»Warum gehst du so komisch?«, wollte Hooker wissen.
»Ich finde es gespenstisch hier oben. Wir Menschen sind
nicht dafür geschaffen, so weit oben zu leben. Ich fühle mich
… unsicher.«
»Wenn Gott nicht gewollt hätte, dass die Menschen so weit
oben leben, hätte er uns keinen Stahlbeton geschenkt.«
»Außerdem trinke ich normalerweise nicht. Meine Zunge
fühlt sich an, als wäre sie am Gaumen festgeklebt.«
»Wenn du weiterhin so schmutzige Sachen erzählst, werd’
ich noch ganz spitz.«
»Wenn du spitz wirst, bin ich weg.«
»Es wäre einfacher, wenn du was anderes anhättest.« Seine
Augen wanderten nach oben bis über meinen Scheitel. »Obwohl die Frisur wahrscheinlich ausreichen würde, um die meisten Männer abzutörnen. Mich nicht, wohlgemerkt. Aber die meisten Männer.«
Ich hörte Flügelschlagen und ein Schaben von der Terrasse
her. »Ist das die Möwe?«, fragte ich.
Hooker zog die Gardine zur Seite und warf einen Blick hinaus. »Eher weniger.« Plötzlich stieg lautes Vogelgezeter auf,
und Hooker trat, die Gardine vorziehend, erschrocken zurück.
»Sie kämpfen um die Leckerbissen«, sagte er.
Eine Frühstückstheke trennte die Küche vom Essbereich ab.
Davor waren vier Hocker aufgereiht. Am Ende der Theke
stand ein Foto in einem Silberrahmen. Es war das Foto eines
Bootes.
»Ist das dein Boot?« Ich griff nach dem Bild, um es genauer anzusehen.
»Das war mein Boot. Das schönste Boot weit und breit.
Und schnell … für eine Angelyacht.«
»Gestern Abend habe ich mit ein paar Leuten geredet, die
Bill kennen, und alle waren der Meinung, dass er sich in letzter Sekunde entschlossen hätte zu verschwinden. So wie ich es
verstanden habe, war die Flex II gerade von einer Fahrt auf die
Bahamas zurückgekehrt. Bill war am Abend nach ihrer Rückkehr in ein paar Clubs, aber nachdem das Schiff am nächsten
Morgen wieder auslaufen sollte, verabschiedete er sich schon
früh. Gegen ein Uhr morgens. Danach hat ihn niemand mehr
gesehen.«
»Wann hat er dich angerufen?«
»Gegen zwei Uhr morgens.«
»Er kommt also von einem Abstecher auf die Bahamas zurück«, fasste Hooker zusammen. »Und geht bis um eins feiern.
Dann ruft er mich um zwei Uhr an. Und dich gleich danach. Er
ist auf einem Boot. Meinem Boot!«
» Vielleicht ist er auf deinem Boot.«
»Es ist das einzige Boot im ganzen verdammten Yachthafen, das verschwunden ist. Ich habe das nachgeprüft. Er erzählt
dir, dass ihm ein paar Typen auf den Fersen sind. Dann schreit
eine Frau. Seither haben wir nichts mehr von ihm gehört. Eine
Stunde später bringt jemand einen Wachmann um.«
Ich erzählte ihm von dem Nachtwächtergespräch, das ich
mit Kotzfresse geführt hatte. »Was hat das alles zu bedeuten?«, fragte ich Hooker.
»Keine Ahnung, Schätzchen.«
»Ich muss noch mal in Bills Apartment. Ich habe meine
Reisetasche dort gelassen. Ich war nicht klar im Kopf.«
Hooker griff sich einen Schlüsselbund von der Theke. »Ich
komme mit. NASCARMAN eilt zur Rettung. Und nachdem
wir dich aus dem Kleid geholt und in ein Paar Shorts gesteckt
haben, können wir weiter nach Bill suchen.«
Ich folgte ihm aus der Wohnungstür in einen kleinen Vorraum mit zwei Aufzügen. Hooker drückte auf den Knopf und
sah mich an.
»Ist alles okay? Du bist eben ganz blass geworden.«
Bloß weil mein Herz beim Anblick der beiden Aufzüge
aufgehört hatte zu schlagen. »Es geht schon«, sagte ich. »Ich
bin nur ein bisschen verkatert.«
Wir traten in den Aufzug, Hooker drückte den Knopf fürs
Erdgeschoss, und die Türen glitten zu. Ich holte tief Luft und
kniff die Augen zusammen. Ich fing nicht an zu wimmern, ich
schrie auch nicht: »Wir werden wie ein Stein nach unten fallen
und zerschellen!« Insofern war ich fast stolz auf mich.
»Was soll das mit den zugekniffenen Augen?«, wollte
Hooker wissen.
»Ich mag nicht
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