Tiefer gelegt
hättest ein paar Tage frei.«
»Ich hatte das Gefühl, dass ich ein bisschen Sonne tanken
muss, da bin ich nach Miami geflogen, um Bill zu besuchen.«
»Du fliegst doch so ungern.«
»Ja, aber ich hab’s trotzdem getan. Jetzt bin ich hier. In der
Wärme.«
»Wie geht es deinem Bruder? Nie ruft er an.«
»Bill ist nicht da. Er ist auf See, müsste aber in den nächsten Tagen zurückkommen.«
»Wenn du ihn siehst, dann richte ihm aus, dass gestern ein
Freund angerufen und nach ihm gefragt hat.«
»Was für ein Freund?«
»Er hat mir nicht gesagt, wie er heißt, aber er hatte einen
spanischen Akzent. Er meinte, Bill würde mit seinem Anruf
rechnen. Etwas wegen ungeklärter Besitzverhältnisse. Offenbar hat Bill versehentlich etwas eingesteckt, das diesem Mann
gehört.«
Ich plauderte noch ein paar Takte mit meiner Mum und gelobte, mich vor den Kakerlaken in Acht zu nehmen, ehe ich
die Verbindung trennte.
»Du wanderst geradewegs in die Hölle«, sagte Hooker. »Du
hast gerade deine Mutter angelogen, stimmt’s?«
»Ich wollte nicht, dass sie sich Sorgen macht.«
»Eine Lüge für einen guten Zweck. Das sind die schlimmsten überhaupt.« Er legte ein paar Scheine auf den Tisch und
stand auf. »Lass uns zum Yachthafen fahren und nachschauen,
ob mein Boot inzwischen an Land getrieben wurde.«
Ich folgte Hooker zwischen den Tischen hindurch zu seinem Porsche. »Willst du mir weismachen, du würdest nie für
einen guten Zweck lügen?«
»Ich lüge andauernd. Aber ich wandere aus so vielen Gründen in die Hölle, dass es auf ein paar Lügen nicht mehr ankommt.«
»Du hast meine Mutter nicht angerufen, oder?«
»Nein. Hätte ich das tun sollen?«
»Jemand mit einem spanischen Akzent hat bei ihr angerufen und nach Bill gefragt. Er meinte, es gehe um ungeklärte
Besitzverhältnisse.«
Hooker parkte vor seinem Apartmenthochhaus, und wir
gingen zu Fuß zum Yachthafen. Das gelbe Absperrband der
Polizei blockierte immer noch den Eingang zur Hafenmeisterei, aber der Zugang zum Pier E war wieder frei. Wir gingen
am Pier E vorbei zu Hookers Pier. Am Ende des Docks lag
immer noch die Flex II. An Deck war niemand zu sehen. Der
Helikopter stand immer noch auf dem Oberdeck.
»Wie oft ist ein so großes Boot gewöhnlich auf See?«, fragte ich Hooker.
»Bei schönem Wetter sind die Firmenyachten sehr oft
draußen. Die Chefs benutzen sie, um ihre Kunden und die
Politiker einzuwickeln. Es zahlt sich immer aus, einen Politiker mit im Boot zu haben.«
Wir kamen zu Hookers Liegeplatz. Kein Schiff.
»Scheiße«, sagte Hooker. Es klang eher nach einer Feststellung als nach einem Fluch.
An Bord der Flex kam etwas in Bewegung, und wir drehten
uns beide um. Ein paar Männer von der Crew deckten einen
Mittagstisch auf dem Achterdeck.
»Da ist jemand an Bord«, sagte Hooker.
Zwei hübsche junge Frauen in Bikinitops und Wickelrökken traten auf das Deck. Ihnen folgten zwei Männer Ende
sechzig bis Anfang siebzig. Nur Sekunden später gesellte sich
ein Mann in Flex -Uniform, das Abziehbild eines jungen, aufstrebenden Managers, hinzu.
»Kennst du jemanden von denen?«, fragte ich Hooker.
»Der große grauhaarige Mann in Uniform ist der Kapitän.
Mir fällt gerade nicht ein, wie er heißt, aber er ist schon ewig
dabei. Er hat schon die Flex I befehligt und letztes Jahr nach
dem Stapellauf auf die Flex II gewechselt.«
»Gibt es die Flex I noch?«
»Nein. Die wurde verschrottet.«
»Kennst du sonst noch jemanden?«
»Den Kahlkopf mit dem Bulldoggengesicht. Er ist Abgeordneter im Senat von Florida. Der Typ mit dem Modelgesicht scheint von der Firma zu sein. Die Frauen kenne ich
nicht. Wahrscheinlich sind sie nur zur Unterhaltung da.«
»Was ist mit dem letzten Mann?«
»Den kenne ich nicht.«
Der letzte Mann war mittelgroß und fleischig. Sein Silberhaar war dicht und gewellt. Das Gesicht wirkte teigig. Er trug
helle Baumwollhosen und ein kurzärmliges Hemd mit Blumendruckmuster. Wir waren ein Stück von ihm entfernt, aber
etwas an seiner Körperhaltung und seiner Mundpartie wirkte
abstoßend und ließ mich unwillkürlich an die fliegende Riesenkakerlake denken.
»Möchtest du deine Gedanken mit mir teilen?«, fragte
Hooker.
»Ich dachte gerade an Kakerlaken.«
»Da wäre ich nicht drauf gekommen.«
»Wahrscheinlich ist er ein total netter Kerl.«
Die Hände in den Hosentaschen, den Körper locker zurückgelehnt, starrte Hooker unverhohlen auf das Deck. »Er sieht
aus, als würde er jeden Morgen ein paar Leute abmurksen und
sie zum Frühstück
Weitere Kostenlose Bücher