Tiefer gelegt
nicht. Maria ist in eine schlimme Sache geraten. Dabei ist sie so ein nettes Mädchen.«
»Ich würde gern mehr über dieses Tauchprojekt erfahren«,
sagte ich. »Mit irgendwem muss Maria doch darüber gesprochen haben.«
»Vielleicht mit ihrer Familie«, schlug Rosa vor. »Allerdings hat sie kaum Verwandte. Nur einen Cousin. Ihren Vater
hat sie nie kennen gelernt. Sie redet nie darüber, aber ich halte
es für möglich, dass er ermordet oder ins Gefängnis gesteckt
wurde. Sie hasst Castro aus tiefstem Herzen. Ihre Mutter starb
vor vier Jahren. Danach ist Maria aus Kuba geflohen.«
»Keine Geschwister?«
»Nein. Ihre Mama hat nie wieder geheiratet.«
»Kennen Sie die Cousine?«
»Felicia Ibarra. Sie wohnt ein paar Straßen von mir entfernt. Ich kenne sie über Maria, und manchmal sehe ich sie auf
einem Fest oder so. Wahrscheinlich ist sie jetzt bei der Arbeit.
Den Ibarras gehört der Obststand an der Fourth.«
»Ach du meine Güte«, sagte Judey. »Seht nur, wie spät es
ist. Ich muss los. Ich bin heute Abend zum Essen verabredet.
Ehrlich, ich klinke mich nur ungern aus euren Ermittlungen
aus, aber der Typ, mit dem ich verabredet bin, kennt jemanden
im Joe’s Stone Crab. Und ihr wisst, wie schwer unsereiner ins Joe’s kommt.«
»Sollen wir dich heimbringen?«
»Nein. Ich wohne nur einen Block von hier.« Er zog eine
Visitenkarte aus seinem Portemonnaie und kritzelte ein paar
Ziffern darauf. »Das ist meine Handynummer. Auf der Karte
steht auch meine Festnetznummer. Ruft einfach an, wenn ihr
Hilfe braucht. Ich werde Todd dazu anhalten, ein bisschen auf
der Flex herumzuschnüffeln.«
Ich gab Judey meine Handynummer. »War schön, dich
wiederzusehen«, sagte ich.
Judey nahm mich in die Arme, dann zog er mit Brian ab.
Ich öffnete die Fahrertür des Minis, und im selben Moment
packte mich Hooker am Kragen meines T-Shirts.
»Was soll das werden?«, knurrte er.
»Ich fahre zu dem Obststand an der Fourth.«
»Ganz allein?«
»Ich denke schon.«
»Ich denke nicht.«
»Na schön, ich wollte Rosa mitnehmen.«
»Erinnerst du dich an mich? Den Typen, der dich den ganzen Tag rumkutschiert hat?«
»Schon, aber jetzt habe ich ein Auto.«
»Und da wolltest du mich einfach so stehen lassen?«
»Genau.«
Hooker lächelte. »Du willst mich nur necken. Das ist ein
Zeichen von Zuneigung, stimmt’s?«
Ehrlich gesagt hatte ich es gar nicht neckisch gemeint.
»Du solltest mich nicht vergessen«, sagte Rosa zu Hooker.
»Ich könnte dir ein richtiges Zeichen meiner Zuneigung geben. Ich bin eine geschiedene Frau. Ich bin verzweifelt.«
»Alles einsteigen«, sagte ich. »Wollen wir doch mal sehen,
was der Kleine draufhat.«
Ich stellte den Fahrersitz ein und hatte sofort das Gefühl, in
einem wachstumsgestörten Sportwagen zu sitzen. Der Mini
hatte schwarze Lederarmaturen und schwarze Lederschalensitze. Er war irreführend bequem und äußerst übersichtlich. Ich
drehte den Zündschlüssel, trat aufs Gas, und der Wagen machte einen Satz nach vorn. Zu Hause fahre ich einen Ford Escape. Verglichen mit dem Ford fühlte sich der Mini wie ein Skateboard mit Raketenantrieb an.
Ich schoss vor zur Straßenecke und zog ohne zu bremsen
nach links.
Rosa stemmte sich mit beiden Händen gegen das Armaturenbrett. »Heilige Mutter Gottes«, flüsterte sie.
Hooker rutschte von seinem Sitz im Fond, krabbelte wieder
hoch und griff nach dem Sicherheitsgurt.
»Traumhafte Kurvenlage«, erklärte ich ihnen.
»Mag sein«, sagte Hooker. »Nur dass du einen albtraumhaften Fahrstil hast. Ich nehme nicht an, dass du mir die Zügel
über diese Pferdestärken überlassen möchtest?«
»Vergiss es.«
Ich segelte durch den Verkehr, bis ich über die Causeway
Bridge nach Miami zurückgekehrt war. Der Wagen war ein
einziger Genuss. Er war wie ein Kolibri – er wartete summend
vor der Ampel, schoss dann vorwärts und stieß durch die engsten Lücken im Verkehr.
Eine der grundlegenden Konstanten in meinem Leben ist,
dass ich für mein Leben gern Auto fahre und als Lastwagenfahrerin wahrscheinlich glücklicher geworden wäre als in meinem Job bei der Versicherungsgesellschaft. Aber wer gibt
schon so viel Geld und Zeit für einen Collegeabschluss aus,
nur um danach mit einem Laster durch die Gegend zu gondeln?
Zu dieser Tageszeit war in Little Havana die Hölle los. Es
war Freitagnachmittag, und alle Welt war auf dem Heimweg
von der Arbeit, erledigte Besorgungen oder traf Vorbereitungen fürs Wochenende. Ich folgte Rosas Anweisungen bis zu
dem
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