Tiefer gelegt
exzentrischen, warmen Farben gehalten. Orange Wände, knallrote Sofas. Eine mit Zebrafell
überzogene Ottomane mit eigenem Couchtisch. Schwarze
Granitarbeitsflächen in der Küche. Es war eindrucksvoll, aber
gleichzeitig auch ein bisschen so, als würde man verkatert
durch die halb geschlossenen Lider blinzeln.
Wir schleiften Bill ins Gästezimmer und legten ihn dort ins
Bett.
»Wieso ist hier alles so rot?«, lallte er. »Bin ich in der Hölle?«
»Nein«, versicherte ich ihm. »Du bist in Judeys Gästezimmer.«
»Ju-hu-deey.«
Ich übergab Judey die Tüte mit Bills Antibiotika und
Schmerzmitteln. »Die Anweisungen stehen auf den Flaschen«,
sagte ich. »Außerdem liegt noch ein Zettel mit Anweisungen
zum Verbandwechseln und für die nächsten Arztbesuche bei.«
»Fürchtet euch nicht. Judey sorgt für ihn.« Judey warf
Hooker einen kurzen Seitenblick zu. »Und du kümmerst dich
gut um Barney.«
»Ich werde mich bemühen«, versprach Hooker.
Wir ließen Bill und Judey allein und gingen zum Lift zurück. Die Tür glitt auf, wir traten ein, und Hooker drückte den
Knopf fürs Erdgeschoss.
»Wenn du dich vor dem Liftfahren fürchtest, wäre der große, tapfere NASCARMAN bereit, dich in seine Arme zu nehmen, damit du keine Angst mehr hast«, schlug Hooker vor.
»Danke, aber ich bin viel zu benommen, um mich noch zu
fürchten.«
»Könntest du nicht einfach so tun als ob?«
Als wir noch Kinder waren, hatte Bill ständig irgendwelche
streunenden Tiere angeschleppt. Hunde, Katzen, Vögel mit
gebrochenen Flügeln, kleine Häschen. Meine Eltern brachten
es nicht übers Herz, die Tiere wieder auszusetzen, aber sie
bestimmten, dass sie sich nur im Garten und in Bills Zimmer
aufhalten durften. Natürlich fanden der blinde Hund und die
Katze mit dem abgefetzten Ohr irgendwann den Weg ins
Wohnzimmer. Die Vögel wurden wieder gesund und frei gelassen, weigerten sich aber wegzufliegen. Die Hasen wurden
größer und hoppelten durchs ganze Haus, eine Spur von
durchgenagten Kabeln und angeknabberten Fußbodenleisten
legend. Wir liebten sie alle. Womit ich sagen will, dass sich
Bill leicht und schnell verliebt. Und der Rest meiner Familie,
mich eingeschlossen, deutlich langsamer.
Wider besseres Wissen wuchs mir Hooker langsam ans
Herz wie eines von Bills adoptierten Tieren. Die Stimme der
Vernunft sagte immerzu: Bist du von Sinnen? Aber der weiche, gefühlsduselige Bereich meiner Seele, der auch die einohrige Katze die ganze Nacht über auf meiner Brust schlafen
ließ, obwohl mir das fast fünf Jahre lang Albträume bescherte,
fand Hooker immer liebenswerter. Und die erotische Seite
meiner Seele war zu dem Schluss gekommen, dass diese Bäkkereigeschichte zu jenen Männertheorien gehörte, die ich nie
wirklich verstehen würde. Meine Methode bestand viel mehr
darin, langsam Appetit auf ein ganz bestimmtes Gebäck zu
entwickeln, ständig daran zu denken, davon zu träumen, mich
danach zu verzehren. Bis ich irgendwann die Kontrolle verlor,
es kaufte und vernaschte.
Inzwischen kam mir Hooker schon ausgesprochen lecker
vor. Beängstigend, hm?
Wir fuhren mit dem Lift in die Parkgarage hinunter und
kehrten nach kurzer Suche zu unserem Mini zurück. Hooker
und ich hatten uns neue Handys besorgt. Meines klingelte, als
ich mich gerade anschnallen wollte.
»Barney«, hörte ich meine Mutter. »Wo steckst du? Ist alles
in Ordnung?«
»Alles bestens, Mom. Ich bin immer noch in Miami.«
»Ist Bill bei dir?«
»Ich bin gerade von ihm weggegangen.«
»Er geht nicht ans Telefon. Sein Anrufbeantworter ist schon
voll. Ich kann nicht mal mehr eine Nachricht hinterlassen.«
»Ich werde ihm ausrichten, dass er dich anrufen soll. Vielleicht morgen.«
»Wann kommst du wieder heim? Soll ich vielleicht die
Blumen in deiner Wohnung gießen?«
»Ich habe keine Blumen.«
»Wie meinst du das, du hast keine Blumen? Jeder hat ein
paar Pflanzen zu Hause.«
»Meine sind aus Plastik.«
»Das ist mir nie aufgefallen.«
Ich legte auf, und Hooker lächelte mich an. »Hast du tatsächlich Plastikpflanzen?«
»Na und? Es hat nicht jeder einen grünen Daumen.«
Mein Telefon läutete schon wieder. Diesmal war es meine
Chefin.
»Ein Notfall in der Familie«, erklärte ich ihr. »Ich habe Ihnen eine Nachricht auf dem Voicemail hinterlassen. Ja, ich
weiß, dass es ungelegen kommt. Ehrlich gesagt weiß ich nicht
genau, wann ich zurückkomme, aber ich denke bald.«
»Ist alles gut gelaufen?«, fragte Hooker, als ich das Gespräch beendet
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