Tiefer - Im Sog der Lust (German Edition)
erschrocken zusammen, wobei sie sich am Knöchel schnitt. Das Wasser brannte, und sie schaute genervt auf. „Aua.“
„Alles in Ordnung?“ Nick beugte sich zu ihr.
Bess berührte die Wunde. Das Blut wurde schnell vom Wasser fortgespült. „Ja, geht schon.“
„Kann ich dir zusehen?“
Sie hatte schon eine Ablehnung auf den Lippen, doch dann zuckte sie mit den Schultern und sagte: „Klar.“
Durch seine Aufmerksamkeit verunsichert, beendete sie die Rasur ihrer Beine. Sie hatte sich auf eine lange, heiße Dusche gefreut, aber nun kam sie zu einem schnellen Ende und stellte das Wasser ab. Nick reichte ihr ein Handtuch. Bess wickelte sich darin ein und trat auf die Badematte.
„Ich habe noch nie gesehen, wie ein Mädchen sich die Beine rasiert.“
Sie dachte kurz darüber nach ihm zu sagen, dass sie kein Mädchen mehr war, tat es dann aber doch nicht. „War alles so, wie du es dir erträumt hast?“
Nick lachte kurz auf und trat einen Schritt zur Seite, als Bess zum Waschbecken ging. „Sicher.“
Sie putzte sich die Zähne und cremte sich ein, dann hängte sie das Handtuch auf. Seins trug er immer noch. „Willst du das den ganzen Tag anbehalten?“
„Klar.“ Nick warf einen Blick ins Schlafzimmer, dann schaute er sie wieder an. „Meine Klamotten …“
„Oh, stimmt ja. Du kannst sie in die Maschine werfen, während ich weg bin. Wir sollten die Laken und Handtücher auch gleich mitwaschen.“ Bess schob sich an ihm vorbei ins Schlafzimmer, wo seine Kleidung immer noch auf dem gleichen Haufen lag, an dem er sie am ersten Tag abgelegt hatte. Nick folgte ihr.
„Also“, sagte er. „Es ist nicht nur das.“
Er stupste den Haufen mit den Zehen an. Bess schaute von der Schublade auf, aus der sie gerade das erste Mal innerhalb der letzten zwei Tage einen Slip holte. Sie zog ihn an und griff dann nach einem BH.
„Oh“, sagte sie und kam sich entsetzlich dumm vor. „Das ist alles, was du hast.“
Nick nickte. Plötzlich entwich alle Luft aus ihren Lungen, und Bess musste sich aufs Bett setzen. Ihr Magen knurrte, und sie drückte die Hände darauf. Sie versuchte langsame, tiefe Atemzüge zu nehmen, aber sie konnte hören, wie sie keuchte.
Ein Satz Klamotten. Das schien irgendwie wichtiger zu sein als die Tatsache, dass Nick nicht aß oder atmete. Ein einziger Satz Klamotten. Nicht mehr, weil Nick nicht mehr besaß. Waren es die Sachen, die er angehabt hatte, als er …? Bess zitterte und schlug die Hände vor die Augen.
Die Matratze neben ihr senkte sich. Nick legte einen Arm um ihre Schultern, und obwohl sie seiner Berührung hatte widerstehen wollen, wandte sie sich zu ihm und vergrub ihr Gesicht an seiner Brust. Sie weinte nicht. Es war keine Trauer, die in ihr aufstieg, ihr den Atem nahm und die Eingeweide verknotete. Es war etwas anderes. Vielleicht Angst davor, verrückt zu sein. Angst vor dem Unbekannten. Angst, dass er sie wieder ohne ein Wort verlassen könnte, und sie dieses Mal keine heimliche Hoffnung in sich nähren könnte, ihn irgendwann wiederzusehen. Wenn er dieses Mal ginge, könnte sie sich nie mehr davon überzeugen, dass er zurückkommen würde.
„Es tut mir leid“, sagte Nick.
Sie löste sich von ihm und schaute ihn an. „Das muss es nicht.“
Er berührte sie sanft unter dem Kinn. „Glaub mir, Bess, ich finde das auch ein bisschen gruselig.“
„Ich bringe dir noch ein paar Klamotten mit, wenn ich einkaufen gehe.“ Sie stand auf, brauchte Bewegung, um ihre Gefühle zu verscheuchen. „Du hast ungefähr Connors Größe.“
Sie drehte sich um und bemerkte seinen erstaunten Blick. „Nick?“
„Wie alt ist dein Kind.“
„Connor ist achtzehn“, antwortete sie. „Robbie ist siebzehn. Sie sind das, was meine Großmutter irische Zwillinge nennt. Genau elf Monate auseinander.“ Ihre alte Gewohnheit draufloszuplappern, gewann wieder die Oberhand, und je weiter Nicks Augen wurden, desto schneller sprach sie. „Aber niemand würde sie wirklich für Zwillinge halten. Sie sehen kaum wie Brüder aus. Connor ist dunkelhaarig und Robbie blond, wie ich …“
Ihre Stimme verebbte. Nick war aufgestanden und ans Fenster getreten, aus dem er nun hinausstarrte. Seine Schultern verspannten sich, als er den Rand der Fensterbank umklammerte.
„Nick?“
„Ich habe nicht nachgedacht“, sagte er. „Ich weiß, dass du es mir gesagt hast, aber ich habe nicht wirklich darüber nachgedacht.“
Ihr Instinkt riet ihr, zu ihm zu gehen, aber alte Gewohnheiten waren schwer
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