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Tiefer Schmerz

Tiefer Schmerz

Titel: Tiefer Schmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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einen Blick in die Küche. Sie war groß und wirkte gemütlich. Der Holzfußboden in der Küche kam ihm ein wenig ungewöhnlich vor. Auf dem Gasherd standen Töpfe und köchelten vor sich hin.
    »Gas«, sagte er und zeigte darauf.
    »Unübertroffen«, sagte Jorge. »Aber du sollst jetzt nicht heimlich gucken.«
    Die Damen hatten schon das Wohnzimmer erreicht. Sie standen bei einer Gruppe von Menschen an einem niedrigen Glastischchen, offenbar indisch. Alle schienen Gläser mit roter Flüssigkeit in den Händen zu halten. Außer einer, die eine Flasche mit Schnuller hielt. Sie saß auf Viggo Norlanders Schoß.
    Paul winkte in die Runde und ließ einen raschen Blick durchs Wohnzimmer schweifen. Es war ziemlich groß und so uneinheitlich wie üppig möbliert. Es gab nicht viel freie Fläche – was hauptsächlich an dem riesigen runden gedeckten Tisch lag, der mitten im Raum stand. Erstaunlich viele Bücher, und ein paar Bilder an den Wänden, die echt zu sein schienen. Es machte einen geschmackvollen, aber ein bißchen chaotischen Eindruck.
    Was wohl ganz gut zu beiden paßte, Sara wie Jorge.
    Ein wenig zerstreut tätschelte er Klein-Charlottes spärliches dunkelblondes Haar. Dann streckte er der Dame an Viggos Seite die Hand hin. Sie hatte die gleiche Haarfarbe wie ihre Tochter, trug ein recht strenges rosa geblümtes Kleid und sah aus, als ginge sie mit Riesenschritten auf die Fünfzig zu.
    »Paul«, sagte er.
    »Astrid«, sagte sie und fuhr fort: »Du bist also der berühmte Paul Hjelm, der Meisterdetektiv.«
    Paul bedachte Viggo mit einem verwunderten Blick. Viggo zuckte vieldeutig mit den Achseln und warf Charlotte hoch, daß ihr die Luft wegblieb.
    »Herzlichen Glückwunsch«, sagte Paul.
    »Wozu denn?« fragte Astrid.
    Paul bedachte Viggo mit einem weiteren, diesmal beunruhigten Blick, doch Viggo warf nur weiter seine Tochter in die Luft.
    »Zum Familienzuwachs«, sagte Paul.
    »Ach so«, sagte Astrid erstaunt, aber nicht ärgerlich. »Ja, natürlich. Danke.«
    Paul wandte sich an Viggo, zeigte auf Klein-Charlotte und sagte: »Du hast sie wohl ordentlich gefilmt, auf Video.«
    »Bei ihr habe ich geübt«, sagte Viggo todernst.
    Paul ging weiter zum Sofa. Aus dem Augenwinkel sah er Cilla im Gespräch mit Kerstin Holm; ein komisches Gefühl.
    Eine schwarzgekleidete kleine Frau reichte ihm die Hand und sagte: »Ludmila.«
    Er schaltete nicht richtig. Fühlte sich schwer von Begriff und plump. Wie ein Fisch auf dem Trockenen. »Paul«, sagte er und flatterte mit den Kiemen. »Hej.«
    Ein Bücherregal wurde zur Seite geschoben, und ein sehr großer Körper wand sich dahinter hervor. »Meine Fresse, was für ein kleines Klo«, sagte Gunnar Nyberg. Er ging direkt auf Cilla zu und begrüßte sie höflich wie ein pensionierter Offizier vom alten Schlage.
    »Ja«, sagte Jorge laut. »Das ist der Nachteil an dieser Wohnung. Wir haben keinen Platz für eine Waschmaschine.«
    Erst bei Gunnars Anblick schaltete Paul. »Natürlich«, stieß er hervor, noch immer die Hand der kleinen Frau in seiner haltend. »Ludmila. Frau Dozentin.«
    »Halten wir die Titel hoch, Herr Kriminalinspektor«, sagte Ludmila mit milder Ironie. Er lächelte über sich selbst. Es gelang ihm recht gut.
    Gunnar Nyberg ließ ein lautes und dröhnendes Baßlachen hören. Paul fragte sich, was Cilla wohl gesagt hatte, um dieses Lachen hervorzurufen. Ihm selbst gelang das äußerst selten.
    Er kam zur Mitte des Sofas. Eine ältere Dame mit leicht grauem Haar und markanter Faltenbildung um die Augen reichte ihm mit neutraler Miene die Hand. Das genügte, um ihn schalten zu lassen. Es wurde immer besser. Er begann warm zu werden. »Frau Hultin, vermute ich«, sagte er archaisch.
    »Stina«, sagte die Dame neutral.
    »Paul«, sagte er und fügte überflüssigerweise hinzu:
    » Hjelm.«
    Diese Sache mit Vornamen und Nachnamen. Es fiel ihm noch immer lächerlich schwer, Hultin anders zu nennen als Hultin. Also wurde seine Frau unweigerlich ›Frau Hultin‹.
    Alles andere war reine Selbstüberwindung. Er wünschte wirklich, er verstünde, warum. Vermutlich war es irgendeine hierarchische Prägung, die er wohl niemals ganz abstreifen konnte.
    Der Augenblick der Prüfung war jedenfalls gekommen. Hultin saß in der äußersten Ecke und hielt ein Glas in der Hand, so leer, daß es wie ausgeleckt aussah. Sie begrüßten sich.
    »Jan-Olov«, sagte Paul unter Aufbietung seiner ganzen Selbstüberwindung. »Dein Glas ist leer, wie ich sehe.«
    »Wir sind seit einer

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