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Tiefer

Titel: Tiefer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Andresky
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Das Drittschlimmste, wenn man Freya heißt und Single ist, sind die Primaten, die durch
     Paarung mit mir eine höhere Evolutionsstufe erreichen wollen. In der Disko schlurfte neulich einer an, der sich vorstellte
     mit: «Ich bin Thorsten, Thorsten ohne Borsten, ha!» Und dabei lachte er wie Fossibär, und ich verdrehte die Augen und sah
     im Geiste über mir die beiden Opas aus der Muppetshow, |174| wie der eine zum anderen sagt: «Wieder nix, eher haben sogar wir nochmal Sex, ehe Freya nicht mehr frei ist.» Und dabei lachen
     sie sich fast einen Gehirnschlag. Oder der Typ, der in der spanischen Kneipe einen Tequila nach dem anderen kippte und irgendwann
     breit grinsend wie der Steinbeißer aus der Unendlichen Geschichte vor mir saß. Seine Pupillen rutschten immer wieder unters
     halb gesenkte Oberlid, während er versuchte, sein Tequilaglas zu halten, und ab und zu Sätze sagte wie: «Das wackelt hier
     so wie im Blair Witch Project» oder: «Hast du nich mitgespielt im Blair Witch Project?» Der war besessen von diesem Film und
     kroch schließlich auf allen vieren aus der Bar, um sich vor ein Taxi zu werfen, das ihn wohl auch überfahren hätte, wäre er
     nicht knapp zwei Meter groß gewesen. Gar nicht zu reden von dem Schwätzer, der auf eine simple Frage wie «Zucker oder Süßstoff
     zum Kaffee?» eine halbe Stunde lamentieren konnte. Warum hören sich Männer nur so gerne reden? Muss genetisch sein. Zwei Neanderthaler
     auf der Jagd, stundenlang hängen sie in einem Baum und vertreiben sich die Zeit mit Wettgrunzen. Und der, dem zuerst nichts
     mehr einfällt, muss das erlegte Mammut zur Höhle schleppen.
    Einer wäre es ja fast gewesen, Manfred, ein Lagerist aus einer Stahlfirma. Der wohnt unter mir und sagt auf der Treppe immer
     «Hallo, Cherie» zu mir, wenn er sein Rennrad die Treppe runterträgt in diesen schweinegeilen Ganzkörperkondomen, diesen Radfahrer-Erektions-Präsentations-Pellen.
     Ich hatte beim Müllwegbringen |175| auch genau gesehen, wie er immer auf meinen Hintern starrte. Ich habe einen riesigen Hintern, und ich fühle das genau, wenn
     sich ein paar begehrliche Augen hineinbohren. Einmal wollte ich mir Haferflocken bei ihm leihen, da kochte er gerade ein Hühnerfrikassee,
     und damit hatte er ja eigentlich schon gewonnen. Hühnerfrikassee galt in meiner Familie als unmännlich. Mein Vater nannte
     es «Krankenkost» und aß es so widerwillig, als fürchtete er bei jedem Bissen, er würde gleich hinsiechend aufs Sterbelager
     kriechen. Gestorben ist er dann an einem Schwarzbrot mit Blutwurst, etwas Ultramännlichem, erstickt ist er dran, Schicksal,
     das aber nur am Rande. Dass Manfred ein Lederband mit einem roten Stein um den Hals trägt und einem Ring dazu, hatte ich wohl
     gesehen, aber wie das so ist, da erzählt man sich einen von wegen Geschenk der Mutter oder so. Aber nix Mutter. Iris hieß
     sie, eine schöne, Flamenco tanzende Telefonverkäuferin, und die hat ihn mir vor der Nase weggeschnappt. Ich hab es so satt.
     Ich heiße Freya, nicht Frigida, ich brauche einen Kerl. Einen echten, einen, der nicht ständig rumnölt, sondern der meine
     Reize zu schätzen weiß.
    Und da seh ich ihn plötzlich, mitten im Winterschlussverkauf, in einer Boutique. Der perfekte Mann, ein Traum. Zwei Köpfe
     größer als ich, muskulös, schlank, dunkle, fast schwarze Haare, glänzend und auf idealer Länge, kurz unter den Ohrläppchen,
     als Friseurin seh ich so was, den Nacken ganz sauber geschnitten, schmal der Hals, nicht so, dass Kopf und Hals gleich |176| breit sind wie ein Flaschenkorken, das hasse ich, schöne Schlüsselbeine im Ausschnitt seines Pullovers. O Herrin, dachte ich,
     der kann sogar Pullover tragen, die wenigsten Männer können das mit Anstand, die sehen darin aus wie eine ausgestopfte Socke.
     Der nicht. Der Pulli spannte da, wo er sollte, und saß locker, wo er sollte. Ich war begeistert. Und diese Augen! Tiefblau,
     und dichtere Wimpern als meine. Wenn das Licht richtig fiele, würden sie lange Schatten werfen auf die Wangenknochen. Ein
     Gesicht wie gegossen. Und dieses Prachtexemplar, bei dem ich nur noch «haben, haben, haben» dachte, stand ganz ungerührt neben
     einem Verkäufer, der um ihn herumwieselte, die Arme voller Klamotten, und dabei mit den Armen ruderte wie bei einem Regentanz.
     Ich sprach den Verkäufer zuerst an. Ich war zu schüchtern, mir den Traummann direkt zu krallen. «Darf ich Ihnen den jungen
     Mann entführen», fragte ich, und als er mich

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