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Tiefer

Titel: Tiefer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Andresky
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Quadratkilometer Insel, zwei geöffnete
     Schnapsläden und draußen das Meer, Hotel zur goldenen Depression können wir uns nennen, wenn die paar verliebten Pärchen,
     die außer ihrem Hotelbett eh nichts interessiert, nicht mehr kommen, weil diese Dame schreibt, hier sei tote Hose. Und Sie»,
     ein Speichelregen traf das Mickelchen, der lange genug Praktikant war, um nicht zurückzuzucken, «Sie werden sich persönlich
     darum kümmern, dass hier nicht und niemals tote Hose ist!» Das Mickelchen freute sich auf die Testerin. Er hatte sich in das
     Klippen-Hotel verliebt, seit er zum ersten Mal mit Freunden auf die Insel gekommen war, die wollten nur saufen und Frauen
     beim Schwimmen zusehen, das war ihm zu langweilig, und er beschloss, einen Rundgang zu machen und sich anzusehen, was die
     Insel außer den zollfreien Läden sonst noch so zu bieten hatte. Das Klippen-Hotel hatte ihm gleich gefallen. Es stand genau
     am Atoll und sah aus wie eine Mischung aus Büsumer Mehrzweckhalle und Expo-Pavillon. Innen waren große Bullaugen in den Boden
     eingelassen, die den Blick in den Wellnessbereich freigaben. Das Wasser schimmerte blau herauf wie aus einem versunkenen Stockwerk,
     und manchmal konnte man einen nackten Po blitzen sehen, wenn jemand aus der angrenzenden Sauna kam und ins Wasser sprang.
     Das Mickelchen, das zu dieser Zeit noch nicht der Unterste in der Hierarchie des Hotels war und Mike hieß, fragte nach einer
     Hotelführung, |181| und spätestens, als er die Zimmer sah, wusste er, dass er hier arbeiten wollte. Riesige Fensterfronten zeigten nichts als
     Brandung, Gischt und Wellen. Der Badezimmerbereich war von den Designern wie ein Yin- und Yanzeichen als rundes Element mitten
     in die Zimmer versetzt, sodass man im ersten Moment glaubte, man könnte sich gegenseitig beim Duschen und auf der Toilette
     beobachten, aber das ging natürlich nicht. Trotzdem hatte Mike diese Vorstellung so erregt, dass er am liebsten gleich mit
     der uniformierten Rezeptionshostess in die riesigen Betten gesprungen wäre. Ihr Blick hielt ihn davon ab, und stattdessen
     bewarb er sich dann um das Praktikum. Er freute sich auch deshalb auf die Zicke, weil er bisher nichts wirklich Wichtiges
     hatte machen dürfen, und die Vorstellung, in Zukunft für eines der besten Hotels der Welt verantwortlich zu sein, gefiel ihm.
    Obwohl er vom Hotelgewerbe im Allgemeinen und von Testerinnen im Besonderen sehr wenig Ahnung hatte, wunderte es ihn doch,
     dass diese Frau nicht einmal versuchte zu verbergen, in welcher Absicht sie hier war. Sie checkte ein mit zwei riesigen Koffern
     und sagte gleich: «Mariele Bongartz, hallo, ich komme von der Zeitschrift   …» Die Rezeptionistin unterbrach sie sofort, schüttelte ihr die Hand, begrüßte sie, als hätte sie Weihrauch, Gold und Myrrhe
     im Gepäck, und winkte Mike heran, den sie ihr als persönlichen Assistenten vorstellte. Mike lächelte höflich, die Testerin
     strahlte ihn an, und unter ihren dicht bewimperten Augen, die |182| blauer waren als der Blick in die versunkene Etage, wurde er wieder zum Mikelchen, das gerade die Realschule hinter sich hatte
     und auf irgendeinen leidlich angenehmen Platz im Leben hoffte. Er wuchtete ihre Koffer auf den Wagen und begleitete sie in
     ihre Designersuite. «Mein Gott», rief sie, als sie die gezackte, leopardenfellbezogene Liege sah, die an der Wand angebracht
     war, «was für ein Design.» Und dann nach einer Weile: «Und alle sind so höflich hier. Als hätten Sie mich erwartet.» Sie senkte
     vertraulich die Stimme. «Meistens werde ich nicht so nett empfangen, wissen Sie.» Das Mickelchen nickte verständnisvoll und
     räusperte sich, um wieder die Stimme vom fast erwachsenen Mike zu bekommen, was ihm nicht ganz gelang, da ihm die tieferen
     Töne, die, die nach Rasieren und Biertrinken klangen, mittlerweile in das üppige Dekolleté der Testerin gerutscht waren. Sie
     trug ein durchsichtiges rotes Nichts, unter dem man ein rotes Spitzenmieder sehen konnte, zu viel für Mike und sein Mickelchen,
     das sich vor Ehrfurcht in seiner Hose zusammenschrumpelte. Die Testerin schickte ihn weg, aber er blieb immer in ihrer Nähe,
     sah sie, wie sie im Speisesaal Notizen machte, ums Gebäude herumging und in ein Diktiergerät sprach, wie sie durch die Korridore
     strich und sich die konservativ designten Suiten zeigen ließ, und wie sie vor allem Fahrstühle und Besenkammern inspizierte.
     Ihre schwarzen Minilederrock und die roten Strümpfe mit

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