Tiefes Land
verschwommen.
»Geht das nicht schärfer? Bei dieser schwachen Auflösung kann man nichts erkennen.«
»Ja, schon. Ich arbeite daran«, beeilte sich der Techniker die Agentin zu beruhigen. »Funktioniert nun mal nicht alles auf Knopfdruck. Mein Rechner im Hauptquartier hat wesentlich mehr drauf, aber wenn man mit diesem vorsintflutlichen Material hantieren muss, muss man froh sein, dass man überhaupt etwas erkennt. Tifor Pharmaceuticals hält wohl nichts von neuester Überwachungstechnik. So, jetzt sollte es gehen.«
Der Techniker grinste Tessa beifallerheischend an, doch sie reagierte nicht darauf. Tatsächlich zeigte der Monitor nun ein vollständig klares Bild. Tessa atmete erstaunt auf. Auf dem Unterarm des vermummten Mannes prangte ein offenes Gebäude mit Kuppeldach und darin eine Kanzel samt Treppe.
»Das kenne ich. Warten sie, ich habe es gleich ... Das ist eine Moschee. So wie die auf dem Wappen von Afghanistan!«
Der Techniker runzelte irritiert die Stirn.
»Afghanistan? Ist das nicht ein wenig zu weit weg, um hier einen Raub zu veranstalten?«
»Nur wenn die Täter tatsächlich von dort stammen. Was ich nicht glaube.
Wir sollten diese Information einmal durch die Datenbank jagen. Mit der Klassifizierung Terrorismus und paramilitärische Kenntnisse. Ich habe da so eine Ahnung.«
Mit einem zufriedenen Lächeln führte die Agentin ihre Tasse zum Mund und trank aus. »Ich bin schon sehr gespannt, was dabei herauskommt.«
09:33 Uhr, 4. Mai, südliches Industriegebiet, Amsterdam
Mit knirschenden Reifen fuhr Willems Sedan über einen schmalen Kiesstreifen am Rande des verlassenen Fabrikgeländes. Weitere Autos mit Blaulicht auf den Dächern folgten ihm. Bewaffnete Beamte verteilten sich sofort auf dem Gelände und sicherten die Umgebung, während er und Agent Roek eine der vielen Lagerhallen betraten.
Mitten in der Halle stand der gesuchte weiße Van. Roek riskierte einen Blick in das Innere des Fahrzeugs. Leer. Dazu wirkte die Fahrgastzelle so unbenutzt und unberührt wie die eines Neuwagens, der gerade vom Produktionsband gerollt war.
»Ich lasse umgehend die Spurensicherung antraben. Die werden hoffentlich irgendetwas Brauchbares herausholen«, bemerkte Roek. Seiner Stimme konnte man die unverhohlene Enttäuschung, die er empfand, ohne weiteres anmerken. Willem nahm währenddessen ein Paar Einweghandschuhe aus einer der Anzugtaschen und zog sie über.
»Während wir warten, sollten Sie das Nummernschild überprüfen. In der Zwischenzeit sehe ich mir den Van ein wenig genauer an.«
Bevor Roek protestieren konnte, hatte er die Fahrertür geöffnet. »Nur keine Sorge, ich werde aufpassen, dass ich nicht die winzigste Spur vernichte.«
Nach einer kurzen Untersuchung bestätigte sich der erste Eindruck. Die Täter hatten augenscheinlich nicht die geringsten Hinweise hinterlassen.
Wenn sich Fasern oder Hautschuppen innerhalb des Wagens fanden, ließen sie sich allenthalben mit einem Mikroskop aufspüren. Trotzdem ging er noch einmal sorgfältig die gesamte Fahrgastzelle durch.
Als Willem schließlich die Ladeklappe öffnete, gab er bei dem Anblick, der sich ihm bot, einen überraschten Laut von sich.
»Was ist denn?«
Roek trat hinzu. Vor ihnen lag ein gefesselter Mann von vielleicht vierzig Jahren. Blut schimmerte dunkel zwischen seinen fahlgelben Haaren hindurch und die Haut wirkte blass und ungesund.
Willem legte seine Finger an die Halsschlagader des Mannes. Der Puls war schwach, aber dennoch zu spüren.
»Rufen sie den Notarzt. Schnell. Er hat eine üble Kopfverletzung. Worauf warten Sie, Roek? Auf eine schriftliche Einladung?«
Der Agent rührte sich nicht. Mehr noch, es hatte den Anschein, als ob er Willem überhaupt nicht gehört hatte. Stattdessen blickte er auf einen kleinen Gegenstand hinab, der im Schoß des Gefesselten lag. Ein Timer. Dessen Display zeigte sechsunddreißig Stunden, die langsam aber unaufhaltsam herunter gezählt wurden.
Willem folgte dem Krankenwagen zur AMC, der Universitätsklinik von Amsterdam, während sich Roek um die Sicherstellung des Fluchtfahrzeugs kümmerte. Der Mann aus dem Kofferraum hatte das Bewusstsein bisher nicht zurückerlangt. Da er keine Papiere oder sonstige Dokumente bei sich trug, würde seine Identifikation eine Weile dauern. Aber Willem wollte vor Ort sein, falls er erwachte.
Abgesehen davon stellte noch etwas den Agenten vor ein Rätsel. Der Timer belegte, dass mit dem Überfall auf das Labor nicht nur ein einfacher Diebstahl
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