Tiefflug: Der vierte Fall für Kommissar Jung (German Edition)
geblieben. Als sie Jung den Brandy reichte, glaubte er in ihnen zu lesen, dass sie wusste, worüber er sich gerade Gedanken gemacht hatte. Sie schenkte sich ebenfalls einen Maceira ein und hob ihr Glas.
»A nossa, Tomi.«
Jung stieß mit ihr an und sie tranken.
»You don’t belong to Tinys gang, don’t you?« Eve hatte ihr Glas abgesetzt. Sie sah kurz in die Runde, um zu sehen, ob sie gebraucht würde, und wandte sich, als sie festgestellt hatte, dass alles auch ohne ihr Zutun rund lief, wieder Jung zu.
»Do I look like that way?«, fragte Jung zurück. »Have I somewhat of a cheap besides a former Top Gun?«, fügte er lachend hinzu.
Eve fiel in sein Lachen ein. Ihr schien seine Antwort zu gefallen.
»Your attitude is much different to Tinys, you know?«
Sie sah ihm länger in die Augen. Einer ihrer Waiter winkte ihr aufgeregt zu und wollte die aufgenommenen Bestellungen bei ihr loswerden. Sie wandte sich ab.
Jung wartete und nippte an dem Weinbrand. Er schmeckte wirklich gut. Jung war kein Experte auf diesem Gebiet, aber unter den teuren Cognacs, die er hier und da nach dem Essen probiert hatte, wäre ihm dieser Portugiese sicherlich aufgefallen. Und das nicht nur wegen des moderaten Preises, wie er feststellte, nachdem er die Getränkeliste auf dem Tresen nach dem Maceira durchsucht hatte.
Eve hatte ihren Job beendet und gesellte sich wieder zu ihm.
»Something more, Tomi?«, fragte sie und sah in sein leeres Glas.
»A second one doesn’t harm.«
»A third one certainly doesn’t. But a fourth, I guess, will do bad.« Sie lachte Jung an.
»Ja, sure. We came by car and will go by car. Hope, Tiny will keep that in mind.«
»Don’t rely that much on Tiny, Tomi«, bemerkte Eve ernst. »I warn you. Tiny is not that guy who he wants to be and who he seems to be, do you understand?«
»No, Eve, pardon me.« Jung nahm einen kräftigen Schluck Brandy.
»He is a poor tall boy without any usefull thoughts«, sagte Eve mit Bedeutung und wischte den Tresen mit einem Lappen sauber, den sie aus dem Spülbecken geangelt hatte. »I wish you won’t have any reason to remember my words, Tomi.« Sie warf den Lappen zurück in die Spüle und wendete sich ihren Aufgaben hinter dem Tresen zu.
Jung blieb allein zurück mit dem Brandy und seinen Gedanken, die ihre Bemerkung ausgelöst hatte. Sie musste Erfahrungen mit Tiny gesammelt haben, ging es ihm durch den Kopf. Andernfalls wäre sie nicht zu dieser hellsichtigen Erkenntnis fähig gewesen. Ihr Alter, davon war er inzwischen überzeugt, lag nicht weit weg von Tinys Alter.
Er sah sich um. Tiny konnte er, trotz seiner Größe, nicht entdecken. Er erinnerte sich amüsiert an den Spruch: Wer sich in die Bar begibt, fällt darin um. Sein Amüsement hielt sich in Grenzen.
Er wollte nach Hause. Er trank den Maceira aus und blickte zu Eve hinüber. Sie erwiderte seinen Blick und kam zu ihm.
»Can you manage a Taxi, please?«, fragte Jung.
In ihren Augen las er, dass sie wusste, was ihn bewegte.
»Certainly I can, Tomi.« Sie lächelte ihm zu und verschwand hinter einem Vorhang im Hintergrund.
Es dauerte nicht lange, bis sie ihm einen Wink gab, das Taxi sei vor der Tür. Jung bedankte sich für ihre Gastfreundschaft und bat sie, Tiny von seinem vorzeitigen Aufbruch zu informieren, was sie ihm gern versprach. Sie verabschiedeten sich voneinander. Jung kämpfte sich zum Ausgang durch, und sie winkten sich noch einmal über die Flut aus Gesprächsfetzen, Gelächter und Gläserklirren zum Abschied zu wie zwei schiffbrüchige Seeleute in hochgehender See.
Draußen schlug von einem nahen Kirchturm die Glocke Mitternacht. Ihr Klang hatte nicht das Volumen einer Glocke in einem deutschen Gotteshaus. Sie klang wie das schmale Bimmeln eines Totenglöckchens. Jung fröstelte. Er sog erleichtert die frische Luft tief in die Lungen.
»Carvoeiro, faz favor«, wies er den Taxifahrer an und lehnte sich in das Sitzpolster zurück. Er hatte schon immer gewusst, warum er lieber zu Hause blieb, sich lieber mit seiner Frau unterhielt, selbst wenn sie sich zankten, was sich hin und wieder nicht vermeiden ließ. Er schrieb auch lieber seiner Tochter E-Mails nach Japan.
Der Anruf
Als er an diesem Tag aus seinem Schlummer erwachte, hatte sich alles verändert. An diesem Morgen tauchte keine Sonne sein Zimmer in blendende Helle. Die Küste lag unter einer glatten Wolkendecke, die so tief hing, dass es klar war, irgendwann später musste es regnen. Zum ersten Mal seit ihrer Ankunft an
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