Tiefschlag
Fingern und der andere von zwei Zähnen und einem Auge verabschieden mußte. Sie hatten es nicht vorsätzlich geplant. Es hatte sich spontan ergeben. Mußte wohl irgendwas mit der Großhirnrinde zu tun haben. Genauso waren sie übrigens auch aus der Sache wieder rausgekommen, so hatten sie es geschafft, daß die Anklage gegen sie fallengelassen wurde.
War einfach Pech, daß ihre Mutter mit einem Chinesen durchgebrannt war. Mehr gab’s dazu wirklich nicht zu sagen. Die Mütter anderer Leute waren mit Straßenkehrern, Metzgern und, ein denkwürdiges Ereignis, einem Fernsehstar durchgebrannt. Genaugenommen war’s der Assistent eines Producers, niemand mit einem Gesicht. Und die Väter anderer Leute waren durchgebrannt mit Schulmädchen, Großmüttern, alleinerziehenden Teenagern, Krankenschwestern, Verkäuferinnen, Hausfrauen und verschissenen Spinnerinnen.
Also gab es jede Menge Auswahl für Leute, die durchbrennen wollten. Aber ein verfickter Chinese, das war so ziemlich das letzte, was irgendwer erwartet hätte.
Ben beobachtete das Lächeln auf Gogs Gesicht. Das war wieder so was. Sie konnten ihre Gedanken lesen. Wenn irgendwer sonst das Lächeln auf Gogs Gesicht sah, dachte er vielleicht, der freut sich über Lob von Franco Tampon. Aber Ben wußte verdammt gut, daß das Lächeln auf Gogs Gesicht nun aber auch gar nichts mit Franco Tampon zu tun hatte. Gog hörte Franco Tampon nicht mal zu, er dachte daran, Kleinholz aus diesem Chinarestaurant zu machen. Er lächelte immer so, wenn er daran dachte, wie sie Kleinholz aus dem Chinarestaurant gemacht hatten. Das war ganz klar eines der Highlights seines Lebens gewesen. Seine mystische Erfahrung.
So nannte er das. Ben, erheblich intelligenter als Gog, begriff, daß es in Wirklichkeit alles andere als eine mystische Erfahrung war. Es war schlicht und einfach eine Ersatzhandlung für die fehlende Bindung zu einer Mutterfigur, als Gog noch ein Säugling war. Doch das würde Gog nie verstehen, also belastete Ben ihn auch nicht weiter damit. Er ließ ihm den Glauben, es sei eine mystische Erfahrung gewesen. Es war nicht die Wahrheit, aber schaden tat’s auch nichts.
«Kommt Doc Squires heute abend?» erkundigte sich Ben.
Franco warf einen Blick auf seine Uhr. «Ja, müßte eigentlich jeden Moment antanzen. Warum fragst du, Ben? Brennst du drauf abzuzwitschern?»
«Nein», sagte Ben abwehrend. Er wollte nicht abzwitschern. Es tat weh, daß Franco meinte, er wolle abzwitschern. Als wär er nicht voll bei der Sache oder so. Eine verschissene Dillitante oder wie die hießen.
Franco lächelte leise und vermied es, Ben direkt anzusehen. «Dachte, du hättest vielleicht ein Date oder was, Ben. Hast dir eine Maus gesucht. Na, hab ich recht?»
Aber Ben schluckte den Köder nicht. So war Franco manchmal, machte seine Witzchen. Ben und Gog ließen die Finger von den Bräuten. Man konnte sich solche Beziehungen nicht leisten, wenn man mitten im Training stand. Es war nicht nur der direkte Energieverlust, denn das ließ sich ja noch locker ausgleichen, indem man einfach ein paar rohe Steaks einpfiff. Nein, Frauen hatten was, das einen echt auslaugte. Für jemanden, der voll im Training stand, so wie Ben und Gog, war eine Frau so was wie ein Vampir.
«Ich hatte aus verschiedenen Gründen gehofft, Doc Squires zu sehen», sagte Ben. «Erstens sind mir und Gog diese blauen Tabletten fast ausgegangen. Die Kapseln. Und Doc Squires hat gesagt, wir könnten die Dosis ab diesen Monat verdoppeln. Und zweitens hat Gog immer öfter Kopfschmerzen, und darüber wollte ich mal mit dem Doc reden. Vielleicht hat er was, das wirklich hilft.»
«Stimmt das, Gog?» fragte Franco Tampon. «Werden die Kopfschmerzen schlimmer?»
Gog setzte ein tapferes Lächeln auf.
«Er beklagt sich nicht», sagte Ben. «Er beklagt sich nie. Aber ich weiß, wenn er durch den Wind ist. Ich merke so was. Wir haben eine telepathische Verbindung.»
Franco schüttelte den Kopf. «Ich dachte, das mit den Kopfschmerzen wär besser geworden», sagte er. «Doc hat mir gesagt, es würde besser mit den Kopfschmerzen, seit ihr mit den Anabolika angefangen habt.»
«Zuerst war’s ja auch so», sagte Ben. «Und sie helfen auch, sobald wir sie nehmen. Aber nach einer Weile kommen die Kopfschmerzen wieder. Und dann sind sie schlimmer als vorher.»
Gog gab einen kehligen Laut von sich, der sowohl Zustimmung als auch Widerspruch gewesen sein könnte. Ben warf Franco einen Blick zu, weil er wissen wollte, ob er es richtig
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