Tiefschlag
würde er doch ans Kind denken.
Also dachte seine Mutter vielleicht doch an ihn. Vielleicht dachte sie dauernd an ihn. Was wußte er denn, womöglich hatte sie längst mit diesem Vermietertypen Schluß gemacht und war zu dem Haus zurückgekehrt, in dem sie mal gewohnt hatten, und mußte feststellen, daß Geordie weg war. Und jetzt verbrachte sie ihre gesamte Zeit damit, Geordie zu suchen. Graste die Straßen ab.
Barney kam herüber und drückte die Schnauze an Geordies Hand. «Okay», sagte er zu dem Hund. «Ich phantasiere, stimmt’s?» Als John Lennon den Schluß von Mother gesungen hatte, ließ Geordie das Band weiterlaufen.
«Weißt du was, Barney?» sagte er. «Diese Janet, von der ich dir erzählt habe. Die hat zwei Katzen.» Barney setzte sich auf die Hinterläufe und legte den Kopf schief, als wäre «Katzen» ein höchst interessantes Wort, das es, natürlich, auch war.
«Und ich will nicht, daß irgendwas zwischen mir und Janet schiefläuft. Also werden wir beide uns gelegentlich unterhalten müssen. Janet hat ihre Katzen wahnsinnig gern. Die heißen
Venus und Orchid. Tja, Scheiße, Barney, so Namen haben Katzen eben. Hunde haben viel bodenständigere Namen, aber Katzen sind ’ne ganze Kante hochnäsiger. Das mußt du akzeptieren.
Die Sache ist nun folgende. Falls du dich mit diesen Katzen anlegst, oder wenn du dich auch nur mit einer von ihnen anlegst, sagen wir mal, mit Orchid, und ihr das Leben schwermachst, dann würde das zwangsläufig Probleme zwischen mir und Janet aufwerfen, und dann war ich echt sauer auf dich.
Also werden wir folgendes machen. Wenn wir rausgehen und eine Katze sehen, also, anstatt auf und ab zu springen und wie ein Irrer zu bellen und dann anschließend hinter ihr herzujagen, als würdet ihr Cowboy und Indianer spielen, wirst du folgendes tun, du wirst sagen: Oder so was in der Richtung. Und du wirst dich schon mal an den Gedanken gewöhnen, daß du eines schönen Tages, falls ich und Janet beschließen sollten zusammenzuziehen, mit zwei Katzen in einem Haus leben wirst, so wie Brüder und Schwestern. Alles klar?»
Barney hatte sein Gewicht zunehmend auf die Vorderpfoten verlagert, bis sie schließlich unter ihm weggerutscht waren. Der Kopf war ihm auf die Vorderläufe gesackt, und von seinem Gesicht war jetzt nur noch ein Auge zu sehen. Dieses Auge erwiderte nun Geordies festen Blick ein oder zwei Sekunden. Dann ließ Barney die Jalousien herunter, stellte sich wahrscheinlich vor, es gebe keinen Himmel.
Als er die Wohnung verlassen wollte, hielt Sam ihn auf. «Hast du brobdingnagianisch gesagt?»
«Wovon redest du?»
«Vorhin», sagte Sam, «als wir über diesen Käse geredet haben. Hast du da brobdingnagianisch gesagt?»
«Ja.»
«Weißt du, was das bedeutet?»
«Klar weiß ich, was das bedeutet. Glaubst du vielleicht, ich benutze Worte, von denen ich nicht weiß, was sie bedeuten? Weißt du denn, was es bedeutet?»
«So wie du es gesagt hast, bedeutet es groß», sagte Sam.
Geordie schaute zu Sam auf und lächelte. «Es bedeutet riesig», sagte er. «Celia hat mir Gullivers Reisen gegeben, und da kommt dieses Land namens Brobdingnag drin vor. Das Land der Riesen.»
«Und das hast du dir gemerkt?»
«Ja.» Geordie öffnete die Haustür und trat hinaus. Immer noch lächelnd schaute er zu Sam zurück. «Die Leute in Brobdingnag, da hat jeder ganze Tortenbries in seinem Kühli, und wenn irgendwer fragt, wo sie den herhaben, dann stellen sie sich einfach dumm.»
«Geh langsam. Ich kann nicht so schnell wie du.»
Geordie verlangsamte sein Tempo. «Ich gehe gar nicht schnell. Ich gehe ganz normal.»
Als er zu ihrer Wohnung gekommen war, hatte er Janet ein Drittel des Tortenbries gegeben. «Sam hatte den in seinem Kühli, und allein kann er den sowieso nicht essen», erklärte er.
«Venus wird was davon naschen und begeistert sein», sagte sie. «Aber Orchid wird’s nicht anrühren.» Sie schnappte sich ihren Mantel und schlug vor, zu Fuß in die Stadt zu gehen.
Geordie war’s eigentlich egal, was sie machten, solange er nur den Abend mit ihr verbringen konnte. Sie ganz für sich allein haben konnte. Arbeiten mußte er erst morgen wieder, also konnte er den ganzen Abend bei Jennifer bleiben, mit ihr reden, ihr zuhören, in ihre haselnußbraunen Augen schauen und sich von ihr durch ihr verrücktes Leben fuhren lassen.
Geordie hatte ihr ein Tape mit einem Presley-Song vorgespielt, in dem die
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