Tiefsee: Reise zu einem unerforschten Planeten
2.
Außer natürlich, man kümmert sich weiter nicht um die Weltmeere – dann wird nämlich aufgrund der Erderwärmung ein weiteres Treibhausgas freigesetzt: Wasserdampf. Aber das ist dann schon wieder eine ganz andere Geschichte, die wir hoffentlich nicht mehr miterleben müssen. Wie wichtig die Erforschung dieser Phänomene in den Weltmeeren allerdings ist, zeigt ein Projekt der Europäischen Weltraumagentur ESA, die mit Hilfe von Satelliten die Weltmeere erforscht. Beim Projekt »Medspiration« soll die Temperatur der Wasseroberflächen auf den Weltmeeren gemessen werden. Beim Projekt »Glob COLOUR « werden Daten über die Farbe der Meere erhoben. Und nein, das Meer ist nicht blau. Verantwortlich für eine andere Färbung sind nämlich mikroskopisch kleine maritime Pflanzen, Phytoplankton, die nahe der Ozeanoberfläche treiben und grün sind. Je mehr Phytoplankton, desto mehr CO 2-Absorption, und das messen die ESA -Wissenschaftler aus dem Weltraum.
Hightech im Dienste der Menschen
»Mit unseren Methoden hätten wir an Land nicht einmal die Elefanten entdeckt.«
J. Frederick Grassle, Meeresforscher Duke University
Port Sudan, Rotes Meer, Indischer Ozean
Sonntag, 14.30 Uhr
Die Sonne reflektiert auf den Schwingen der mächtigen Flügel, die uns über den Himmel des Sudan tragen. Hinter uns liegen nun bereits beinahe elf Stunden Flug, die uns von Wien über Istanbul in die Hauptstadt des Sudan, Karthum, geführt haben. Das letzte Stück unserer Reise, von Karthum nach Port Sudan, legen wir mit der – nicht besonders vertrauenerweckenden – Sudan Air zurück. Neben Marcus und mir sitzt Peter, ein graubärtiger Wiener Tauchlehrer mit leichtem Silberblick. Nachdem er bemerkt hat, dass wir Landsleute sind, beginnt er fröhlich ein Gespräch mit uns.
»Was treibt euch denn in den Sudan? Lust auf Tauchabenteuer?«
Wir erklären ihm kurz, was wir uns vorgenommen haben. Wir wollen auf den Spuren der Pioniere der Tiefseeforschung unseren eigenen kleinen Beitrag zur Rettung der Menschheit leisten. Unser erster Weg soll uns dabei zu einem der weltweit ersten Unterwasser-Habitate in den Tiefen des Roten Meeres am Shaab Rumi vor der Küste des Sudan führen. Hier hatte Cousteau sein berühmtes Conshelf II Experiment durchgeführt, wie wir in Erfahrung bringen konnten. Und schon in diesem Augenblick haben wir richtig Glück: Nicht einmal noch im Sudan angekommen, haben wir bereits unseren ersten Zeitzeugen gefunden.
»Wie war Cousteau denn so? Manche erzählen ja, er sei ein sehr strenger Mensch gewesen.«
Peter strahlt uns durch seine Brillengläser an. »Cousteau, das war eine echte Persönlichkeit. Ich habe ihn sogar persönlich kennengelernt – das war 1970, kurz nachdem ich meine Tauchschule gegründet hatte. Seine Conshelf-Habitat-Serie – es waren ja insgesamt drei Unterwasserwohnungen, die der Kapitän erbaut hatte – war damals noch in aller Munde. Ich kann nur Gutes von ihm berichten. Er hat mir damals sogar eine besondere Auszeichnung zukommen lassen, den »Gürtel der Calypso«. Das war tatsächlich ein Gürtel, der mich aber dazu berechtigt hat, jederzeit, wann immer ich wollte, an Bord seines legendären Expeditionsschiffes Calypso zu gehen – sogar dann, wenn Cousteau gar nicht anwesend war.«
Unter uns tauchen die ersten Häuser der riesigen Hafenstadt Port Sudan auf. Einige Hochhäuser wechseln sich mit flachen, orientalischen Hütten ab, dazwischen etliche Baukräne. Port Sudan ist eine weitaus orientalischere Stadt als etwa Kairo in Ägypten. Auf den Straßen sind fast nur Männer zu sehen, die den traditionellen weißen Kaftan tragen, in diesen Regionen als Galabija bekannt. Ihr Haupt schützt zum Großteil die Taqiya, manchmal in der aufwändigen, gehäkelten Version, sehr oft aber in der einfacheren Baumwollvariante. Ab und an sieht man Einheimische mit kunstvoll gebundenem Turban die Straßen queren. Auf den Straßen herrscht ein zum System gewordenes Chaos an Autos, Fahrrädern, Eselkarren und Dromedar-Gespannen. Dazwischen bahnen sich überall Tuk-Tuks ihren Weg. Eines dieser grellbunten Dreiräder verpasst uns nur knapp, als wir die Straße in Richtung Hafen überqueren wollen. Eigentlich ein Wunder, sieht der Fahrer doch kaum noch aus seiner winzigen Scheibe, die mit Lichtern, Aufklebern und Amuletten halb zugepflastert ist. Dass die kleinen Räder auf diesen holprigen Straßen überhaupt fahren können, überrascht mich immer wieder aufs Neue.
Im Hafen von Port Sudan geht das Chaos
Weitere Kostenlose Bücher