Tiefsee: Reise zu einem unerforschten Planeten
der heiße arabische Wüstenluft zu unserem Boot bläst. Im Hintergrund sind einzelne Wadis zu erkennen, die aus der Wüste ans Meer führen. Diese ausgetrockneten Flussbette können sich bei starkem Regen lebensgefährlich schnell füllen, bieten , wenn sie gelegentlich Wasser führen, ein halbwegs lebenswertes Umfeld in Wüstengebieten. Cousteau hat schon gewusst, an welcher Stelle er sein Habitat errichtet, grüble ich still in mich hinein. Und gleich werde ich mir selbst anschauen können, was der Kapitän damals geschaffen hat.
Auf der Tauchplattform am Heck der »Royal Evolution« legen Marcus und ich unser Tauchequipment an. Ein dünner Neopren-Shorty, Tarierjacket, Tauchermaske und Flossen sowie – das Wichtigste überhaupt – Pressluft in unseren Tauchflaschen und ein Atemregler, der uns die hochkomprimierte Luft atmen lässt. Normalerweise können wir mit den mitgeführten 12 Litern Luft, die bei 200 bar Druck komprimiert wurden, rund eine Stunde unter Wasser atmen. 12 mal 200 bar ergibt 2.400 Liter Atemluft in unseren Flaschen. Die Mannschaft von Cousteau wohnte 1963 einen ganzen Monat lang unter Wasser. Unglaublich wenn man bedenkt, wie wichtig die Luftversorgung damals war. Dabei kam es ja nicht nur auf die zum Überleben notwendige Atemluft an, sondern auch auf die Absorption des ausgeatmeten Kohlendioxids. Heutzutage wird dieses »Gift« in Tauchbooten bzw. bei Habitaten, die in der Ölindustrie eingesetzt werden, durch Chemikalien aus der Atemluft gefiltert. Cousteau stand diese Technik damals noch nicht zur Verfügung, dennoch gelang der Weltrekord-Tauchgang seiner Mannschaft. Er selbst begab sich allerdings erst nach einigen Tagen in seine Unterwasser-Stadt. Hat er seiner eigenen Erfindung doch nicht so recht vertraut?
Ein letzter Buddy-Check zwischen Marcus und mir, die Tauchausrüstung sitzt – inklusive unserer Tauchcomputer. Diese aus der modernen Sporttauchausrüstung nicht mehr wegzudenkenden Hilfsgeräte, die wir jeweils am linken Handgelenk tragen, zeigen uns während des Tauchgangs permanent an, wie lange wir noch in welcher Tiefe verbringen können. Das Problematische beim Vordringen in größere Tiefen ist nämlich, dass alle 10 Meter auch der Umgebungsdruck um 1 bar zunimmt. So werden wir etwa bei unserem anstehenden Tauchgang 1 bar Umgebungsdruck plus dem 1 bar, das an der Oberfläche herrscht, ausgesetzt sein, sprich 2 bar. Ich überlege mir, was Thomas uns in Wien erklärt hat: In 11.034 Meter Tiefe im Marianengraben herrscht 1.103 bar Umgebungsdruck – plus das 1 bar der Oberfläche. Über eine Tonne drückt dort also auf jeden Quadratzentimeter des Körpers. Ein Druck, den kein menschliches Wesen ungeschützt aushalten kann.
Dazu kommt noch die Problematik mit der Atemluft, diese besteht nämlich zu ungefähr 78 Prozent aus Stickstoff und nur zu 21 Prozent aus Sauerstoff – der Rest sind allerlei anderer Gase. Da Stickstoff aber ein Inertgas ist, ein Stoff also, der sich nur an wenigen chemischen Reaktionen beteiligt und für den menschlichen Körper überhaupt keine Funktion hat, wird er in den diversen Geweben unseres Körpers abgelagert. Die Haut, die Muskeln, die Organe, die Knochen – sie alle speichern während des Atmens Stickstoff, um ihn, nachdem ein Teil des Sauerstoffs verbrannt wurde, wieder auszuatmen. Was an der Oberfläche keine Schwierigkeiten bedeutet, kann unter großem Druck ein massives Problem werden. In den Tiefen der Weltmeere nimmt der Mensch während eines Tauchgangs nämlich aufgrund des stetig steigenden Umgebungsdrucks, der auf seinen Körper einwirkt, eine Unmenge mehr an Luft zu sich, um die Lungen ebenso stark wie an der Oberfläche zu füllen. In 30 Meter Tiefe (etwa 4 bar Druck), benötigen wir bereits die vierfache Luftmenge, in 40 Meter (5 bar) die fünffache und so weiter. Leider nehmen wir dabei aber auch die entsprechende Menge an Stickstoff zu uns, die wiederum in unserem Gewebe zwischengelagert wird. Solange wir Taucher dabei unter Druck bleiben, also in der Tiefe, passiert auch nichts. Der Stickstoff ist ja auch komprimiert. Sobald wir aber mit dem Aufstieg zur Oberfläche beginnen, dehnt sich der Stickstoff in unserem Gewebe aus. Im schlimmsten Fall haben Taucher zu viel Stickstoff aufgenommen und beim Ausdehnen bilden sich Bläschen, die wichtige Blutgefäße verstopfen. Die Folge wäre die gefürchtete Dekompressionskrankheit. Um dem entgegenzuwirken, wurden seit Beginn der Tauchaktivitäten Tabellen erarbeitet – anfangs
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