Tiefsee: Reise zu einem unerforschten Planeten
dem Meeresspiegel gelegene Hochebene Valle Central, auf der San José im Jahr 1848 errichtet wurde. Im Lauf der letzten sechzig Jahre hat sich allerdings die Einwohnerzahl vervierfacht. Auf einer Hochebene, die ringsum von weitaus höheren Vulkanen eingerahmt ist, ist also naturgemäß ein gewisses Platzproblem vorprogrammiert. Bereits vor dem Flughafenausgang beginnt ein abenteuerlicher Verkehr. Gleich hinter einer langen Reihe knallroter Taxis und Kleinbusse, die auf zahlungskräftige Touristen warten, staut sich ein japanischer Mittelklassewagen hinter dem anderen. Dazwischen hupen vereinzelt verbeulte US -Lastkraftwagen, die noch aus dem 2. Weltkrieg zu stammen scheinen.
Eine Hupe gilt uns – der Bus der Undersea Hunter Group erwartet uns bereits. Marcus und ich haben uns entschlossen, dem Rat Ahmeds folgend, mit einem Tauchgang an Bord des U-Bootes »DeepSee« der Undersea Hunter Group einen weiteren Meilenstein bei unserer Recherche zu setzen. Die Betreiber der Undersea Hunter waren mit ein Grund für unsere Entscheidung. Avi Klapfer, einer der Gründer der Gruppe, war ursprünglich kommandierender Kapitän bei der Israelischen Navy. Gemeinsam mit seiner Frau Orly, einer Meeresbiologin, hatte er Ende der 1980er Jahre Yosy Naaman kennengelernt, einen Elektrotechniker und Programmierer, der aber ebenfalls langjähriger Taucher und Boots-Kapitän war. Da Avi aufgrund seiner Tätigkeit an Bord eines israelischen Forschungsschiffes erste Erfahrungen mit der Tiefseeforschung gemacht hatte, beschlossen die drei, ein neues Geschäftsfeld zu eröffnen – nämlich Tieftauchgänge für Touristen. Ab 1.200 US -Dollar kann nun jedermann im Bereich der Cocosplatte vor Costa Rica in die Tiefsee vorstoßen. Marcus und ich wollten uns dieses Erlebnis nicht entgehen lassen – und bald sollte es soweit sein.
Der Fahrer Jesus, ein spitzbübischer Einheimischer mit schwarzem Schnauzer, begrüßt uns fröhlich, während wir uns auf unsere Plätze zum hinteren Ende des 30-Sitzer-Busses vorkämpfen. Er ist fast ausgebucht. Das Geschäft mit der Tiefsee scheint gut zu funktionieren. Unter lautem Hupen verlässt Jesus die Parklücke und ordnet sich im Verkehr ein. Unser Weg führt uns jetzt für die nächsten vier Stunden die Panamericana entlang. Dieses legendäre 48.000 Kilometer lange Schnellstraßensystem verbindet den gesamten amerikanischen Kontinent von Alaska bis Feuerland. Wir legen natürlich nur einen kleinen Teil davon zurück, aber auch der hat es in sich.
So beeindruckend die Landschaft am Straßenrand auch sein mag, mein Blick konzentriert sich auf die Autos, die unseren Bus passieren. Manche mögen vielleicht noch als Oldtimer durchgehen, den Großteil würde ich schlicht und einfach als Rostlauben bezeichnen. Ein roter VW Käfer, dessen sämtliche Anbauteile bereits als Ersatzteile für andere Käfer gedient haben dürften, schneidet soeben in beängstigendem Tempo in die Lücke zwischen einem olivgrünen US - LKW aus den 1950er Jahren und einem ehemals gelben Pick-up japanischer Herkunft. Am Straßenrand wartet einstweilen eine Gruppe Einheimischer vor einem liegengebliebenen Linienbus aus den 1960er Jahren mit der Aufschrift Tica Bus auf die Weiterfahrt. Ihr Oldtimer hat scheinbar den Pass nicht mehr geschafft. Unser Bus ist Gott sei Dank weitaus jünger und so erreichen wir kurz vor Mitternacht noch die Basis der Undersea Hunter Group, das GalMar Dock im Hafen von Caldera in Puntarenas an der Pazifikküste von Costa Rica.
Bei unserer nächtlichen Ankunft ist kaum etwas von der Stadt zu erkennen. Im Reiseführer haben wir auf der Fahrt hierher gelesen, dass die Stadt ihren Namen den weißen Stränden zu verdanken hat. Sie ziehen jedes Jahr auch unzählige Surfer an. Die spanischen Entdecker nannten den Ort »Punkt des Sandes« – Punta Arenas. Heutzutage sind neben den Surfern vor allem illegale Haihändler an den Docks der großen Hafenstadt anzutreffen. Die privaten Docks dienten jahrzehntelang als größter Anlandepunkt des weltweiten Haifischflossenhandels. Dass dies in Costa Rica verboten war, scherte die habgierigen Jäger wenig. Seitdem die Private Docks intensiv kontrolliert werden und vor allem Fährschiffe hier nicht mehr anlegen dürfen, weichen die Fischer in Häfen von Nicaragua aus. Nicht etwa, um die Haiflossen dort weiterzuverkaufen, sondern um sie auf dem Landweg nach Costa Rica zu bringen und von hier – wieder über die Private Docks – in aller Herren Länder zu verschiffen. Wie ich im
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