Tiefsee: Reise zu einem unerforschten Planeten
hat?« Ich grinse Marcus an.
»Ich dachte da eher an ein Interview – was er in der Tiefsee schon erlebt hat, was er schon gesehen hat.« Und wieder einmal hat Marcus Recht.
Im Salon der Sea Hunter sind nur wenige Gäste zu sehen. Die meisten haben es sich in ihren Kabinen gemütlich gemacht, um nicht allzu viel von den Wogen des Pazifiks mitzubekommen. Auf dem Weg nach oben ist mir Frank begegnet, ein glatzköpfiger Deutscher, der bereits seinen dritten Trip in Costa Rica absolviert. Sogar ihn erwischt es noch bei jeder dieser Reisen, wie er mir zu berichten weiß, kurz bevor er kreidebleich seine Kabinentür hinter sich schließt. Dann sitzen wir dem braungebrannten, wettergegerbten Ofer gegenüber, der unglaublich gelassen aussieht, als würde er an einer Karibik-Kreuzfahrt teilnehmen. Ihm dürften die Wellen des »friedlichen Gewässers« wohl nichts mehr anhaben können.
Zu Beginn meiner Fragerunde will ich von Ofer in Erfahrung bringen, welche Voraussetzungen man benötigt, um Pilot eines Tieftauchbootes zu werden. Gibt es gar eine Schule für Tieftauchpiloten? Ofer grinst uns an: »Nein, eine solche Schule kann es gar nicht geben, da jeder Pilot immer nur auf dem jeweiligen Modell, das er gerade fährt, eingeschult wird. Und das erfolgt eigentlich immer durch die Firma, die das Tauchboot gebaut hat. Ich zum Beispiel war ursprünglich Kreuzfahrtdirektor an Bord der M/V Sea Hunter, bevor mir von Avi, dem Eigentümer, die Position eines Piloten der »Deep See« angeboten wurde. Das war natürlich eine große Ehre für mich und ich war begeistert, als ich meine Einschulung bekommen habe. Das ist jetzt auch schon wieder einige Jahre her und während dieser Fahrt steht mein 130. Tauchgang in die Tiefe an.«
»Wie tief warst du denn schon? Ich stell mir das ziemlich aufregend vor…«
Ofer freut sich sichtlich, mir über seine Erlebnisse berichten zu können. »Mein tiefster Tauchgang war auf 457 Meter – da die »Deep See« für eine Maximaltiefe von 475 Meter zugelassen ist, also schon ziemlich im unteren Grenzbereich. Aber wenn du in diese extremen Tiefen abtauchst, verschwimmen die Grenzen ziemlich schnell. Rund um dich glitzert und funkelt es an allen Ecken und Enden, die Selbstleuchtfähigkeit vieler Tiere der Tiefsee, die sogenannte Biolumineszenz, erhellt die undurchdringliche Schwärze des Mesoplegials rund um dich.« Biolumineszenz ist kein Einzelfall in der Natur – das bekannteste Beispiel dafür sind unsere allseits beliebten Glühwürmchen. Eine Riesen-Ansammlung an Glühwürmchen in der Tiefsee stelle ich mir aber absolut beeindruckend vor. In Kürze werde ich dieses Erlebnis ja auch haben – so hoffe ich zumindest inständig.
»Und bist du auch jemals am Marianengraben getaucht?«
Ofer schüttelt gut gelaunt den Kopf. »Nein, dort – bzw. bis zum Grund des Grabens – sind doch bislang überhaupt erst drei Menschen getaucht. Jacques Piccard und Don Walsh mit ihrem Tauchboot Trieste und jetzt vor Kurzem erst der Regisseur James Cameron in seiner Deepsea Challenger. Aber übermorgen werdet ihr zumindest in der Gegend des Ostpazifischen Rückens tauchen können. Die Cocosplatte bzw. der Cocos Rücken, an dem unser Tauchrevier liegt, ist nämlich ein Ausläufer dieses Mittelozeanischen Rückens. Und der wiederum liegt mitten im Pazifischen Feuerring – der wahren Hölle auf Erden.«
Beim Pazifischen Feuerring handelt es sich, wie uns Ofer erklärt, um einen hufeisenförmigen Vulkangürtel, der sich über 40.000 Kilometer am Rande des pazifischen Ozeans erstreckt. Er verläuft der Feuerring aus entlang der südamerikanischen Küste Richtung Norden. Über Zentralamerika und Mexiko erstreckt er sich vor der Westküste der USA bis in den Süden Alaskas. Dort wendet er sich dann über die Inselkette der Aleuten nach Japan. Von dort geht es weiter, an den Philippinen und Indonesien vorbei über die südwest-pazifischen Inseln bis Neuseeland. Fast 90 Prozent aller Erdbeben weltweit ereignen sich innerhalb dieses Gebietes des Pazifischen Feuerrings, was aber auch kein Wunder ist, wenn man bedenkt, dass hier auch 90 Prozent der rund 1.500 aktiven Vulkane weltweit liegen. In dieser wahren Tiefsee-Hölle spielt sich Tag für Tag ein Drama für die einen und ein Paradies für die anderen ab. Vor allem die Umgebung von Tiefsee-Vulkanen bietet Lebensraum für Millionen von Lebewesen, die ohne diese heißen Quellen keine Überlebenschance in der Tiefsee hätten.
Das Gebiet, in dem unsere »Deep See«
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