Tiefsee
Leasing-Dienstwagen, einer eleganten Buick-Limousine, zurück auf die Straße und fuhr ins Stadtzentrum. Bevor er das Ende des Blocks erreichte, rief er über sein Autofunkgerät die Zentrale des Geheimdienstes an.
»Crown, hier spricht Lucas. Ich bin unterwegs zum Weißen Haus.«
»Gute Fahrt«, antwortete eine metallisch klingende Stimme.
Er begann schon zu schwitzen und schaltete die Klimaanlage ein. Die Sommerhitze in der Landeshauptstadt schien nie nachzulassen. Die Feuchtigkeit betrug über neunzig Prozent, und die Fahnen an der Reihe von Gesandtschaften auf der Massachusetts-Avenue hingen schlaff und schwunglos in der stickigen Luft.
Er fuhr langsamer, blieb bei der Checkpointsperre auf der West-Executive-Avenue stehen und wartete ein wenig, bis ein uniformierter Wachtposten des Service ihm zunickte und ihn durchließ. Lucas stellte den Wagen ab und betrat durch den nächstliegenden Eingang das Untergeschoß des Weißen Hauses.
Bei dem Secret Service-Kommandoposten, Codename W-16, blieb er stehen und plauderte mit den Männern, die eine Menge elektronischer Kommunikationsgeräte überwachten. Dann ging er über die Treppe in sein Büro im ersten Stockwerk des Ostflügels.
Jeden Morgen, nachdem er hinter seinem Schreibtisch Platz genommen hatte, überprüfte er zunächst den Stundenplan des Präsidenten sowie die Vorschläge der Agenten, die mit der Planung der Sicherheitsmaßnahmen betraut waren.
Lucas studierte die Mappe, in der die voraussichtlichen »Bewegungen« des Präsidenten verzeichnet waren, zum zweiten Mal, und auf seinem Gesicht spiegelte sich wachsende Bestürzung. Unerwartet war ein wesentlicher Programmpunkt hinzugekommen. Er warf die Mappe ärgerlich auf den Tisch, drehte sich in seinem Drehstuhl herum und starrte auf die Wand.
Die meisten Präsidenten waren Gewohnheitsmenschen, und so hatten sie knapp bemessene Stundenpläne, die sie strikt einhielten. Nach Nixons Kommen und Gehen hätte man seine Uhr stellen können und auch Carter und Reagan wichen selten von den festgelegten Plänen ab.
Nicht so der neue Mann in dem ovalen Büro. Er empfand die Abteilung als lästig, und war, was noch schlimmer war, verdammt unberechenbar.
Lucas und seine Untergebenen versuchten rund um die Uhr, »ihrem Mann« immer um einen Schritt vorauszusein, zu erraten, wann und wohin er plötzlich verschwinden und welche Besucher er einladen würde, ohne ihnen Zeit für entsprechende Sicherheitsmaßnahmen zu lassen. Es war ein Spiel, bei dem Lucas häufig verlor.
Kaum eine Minute später war er die Treppe hinuntergelaufen und stand im Westflügel dem zweitmächtigsten Mann unter den leitenden Angestellten gegenüber, dem Chef des Mitarbeiterstabes, Daniel Fawcett.
»Guten Morgen, Oscar.« Fawcett lächelte freundlich. »Ich habe mir schon gedacht, daß du um diese Zeit hereinstürmen wirst.«
»Im Stundenplan ist ein neuer Ausflug vorgesehen.« Lucas’ Ton war sachlich.
»Das tut mir leid. Aber eine wichtige Abstimmung über die Finanzhilfe für die Ostblockländer steht bevor, und der Präsident will Senator Larimer und den Sprecher des Repräsentantenhauses, Moran, mit seinem Charme dazu bringen, daß sie sein Programm unterstützen.«
»Deshalb lädt er sie zu einer Bootsfahrt ein.«
»Warum auch nicht? Seit Herbert Hoover benützt jeder Präsident die Präsidentenjacht für Besprechungen auf höchster Ebene.«
»Ich habe nichts gegen den Grund«, antwortete Lucas entschieden. »Ich protestiere lediglich gegen die zeitliche Abstimmung.«
Fawcett sah ihn arglos an. »Was paßt dir am Freitag abend nicht?«
»Das weißt du verdammt gut. Bis dahin sind es nur noch zwei Tage.«
»Na und?«
»Für eine Kreuzfahrt den Potomac hinunter mit einer Übernachtung in Mount Vernon benötigt meine Vorausabteilung fünf Tage, um die Sicherheitsmaßnahmen festzulegen. An Land muß ein komplettes Kommunikations- und Alarmsystem eingerichtet werden. Die Jacht muß auf Sprengkörper und Abhörgeräte untersucht, die Ufer müssen abgesucht werden und die Küstenwache braucht einen Vorsprung, um einen Kutter als Begleitfahrzeug auf dem Fluß bereitzustellen. In zwei Tagen können wir keine ordentliche Arbeit leisten.«
»Glaubst du nicht, daß du aus einer Mücke einen Elefanten machst, Oscar? Morde ereignen sich auf überfüllten Straßen oder in Theatern. Wer hat je von einem Staatsoberhaupt gehört, das auf einem Schiff überfallen wurde?«
»Es kann überall und jederzeit geschehen«, widersprach Lucas.
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