Tiefsee
Yankees, die alles wegwerfen«, stichelte Oaks mit seinem angenehmen Südstaaten-Akzent und einem schlauen Lächeln, »bewahren wir Burschen aus dem Süden alles auf, einschließlich unserer Frauen.«
Pitt lachte höflich und machte sich nicht die Mühe zu fragen, wieso ihn seine Jugend in Kalifornien schon zum Yankee stempelte.
»Nach Ihrem Anruf«, fuhr Oaks fort, »habe ich in unserem Archiv herumgekramt. Sie gaben mir kein Datum an, aber da wir nur vierzig Wasserrohrkessel mit den von Ihnen angegebenen Spezifikationen für Libertyschiffe geliefert haben, fand ich die Rechnung mit der fraglichen Seriennummer binnen kurzer Zeit. Leider kann ich Ihnen nichts sagen, was Sie nicht schon wissen.«
»Wurde der Kessel an die Gesellschaft geschickt, die die Maschinen lieferte, oder direkt an die Schiffswerft, um dort eingebaut zu werden?«
Oaks nahm das vergilbte Papier von seinem Schreibtisch und studierte es kurz. »Hier steht, daß wir ihn am 14. Juni 1943 an die Georgia-Schiffsbau-Gesellschaft in Savannah geliefert haben.« Oaks griff nach einem weiteren Stück Papier. »Hier ist ein Bericht von einem unserer Leute, der die Kessel inspiziert hat, nachdem sie im Schiff eingebaut und an die Schiffsmaschinen angeschlossen worden waren. Das einzige Interessante auf der Rechnung ist der Name des Schiffes.«
»Ja, der ist mir bekannt«, meinte Pitt. »Es war die
Pilottown
.«
Ein merkwürdiger Ausdruck huschte über Oaks’ Gesicht, während er den Bericht über die Kesselinspektion noch einmal überflog. »Wir müssen von zwei verschiedenen Schiffen sprechen.«
Pitt sah ihn an. »Könnte da nicht ein Irrtum vorliegen?«
»Nein, es sei denn, Sie haben eine falsche Seriennummer notiert.«
»Ich habe sorgfältig gearbeitet«, antwortete Pitt entschieden.
»Dann weiß ich nicht, was ich Ihnen sagen soll«, erklärte Oaks und reichte ihm das Papier über den Schreibtisch, »aber laut Inspektionsbericht wurde Kessel Nummer 38874 in ein Libertyschiff namens
San Marino
eingebaut.«
15
Die Kongreßabgeordnete Loren Smith wartete in der Halle, als Pitts Flugzeug auf dem National Airport in Washington, landete.
Sie winkte, um seine Aufmerksamkeit zu erregen, und er lächelte. Die Geste war unnötig, denn sie war eine Frau, die man nicht so leicht übersah.
Loren war hochgewachsen, etwas über einszweiundsiebzig.
Sie trug ihr rötliches Haar lang, doch um das Gesicht herum gerade geschnitten, was ihre markanten Backenknochen und die dunkelvioletten Augen betonte. Sie hatte ein rosa Baumwollstrickkleid in Tunikastil mit weitem Ausschnitt und langen Ärmeln an, die sie aufgerollt hatte. Zur Steigerung ihrer eleganten Erscheinung trug sie eine glitzernde Schärpe mit chinesischem Muster um die Taille.
Eine Aura von frischem Intellekt umgab sie, doch dahinter spürte man übermütige Kühnheit.
Loren war Abgeordnete des Staates Colorado in ihrer zweiten Amtsperiode. Sie liebte ihre Arbeit, ging ganz darin auf. Sie war feminin und gewinnend, konnte aber bei Sitzungen des Kongresses, wenn es um eine Entscheidung ging, zu einer angriffslustigen Tigerin werden.
Ihre Kollegen achteten sie nicht nur wegen ihrer Schönheit, sondern auch wegen ihrer Klugheit. Sie lebte zurückgezogen und mied Parties und Dinners, außer aus politischer Notwendigkeit heraus. Ihre einzige außerberufliche Aktivität war eine »dann und wann«-Liebesaffäre mit Pitt.
Sie kam auf ihn zu und küßte ihn leichthin auf den Mund.
»Willkommen daheim, mein Weltenbummler.«
Er legte den Arm um sie, und sie gingen zusammen zur Gepäckausgabe. »Danke, daß du mich abgeholt hast.«
»Ich habe mir einen deiner Wagen ausgeliehen. Hoffentlich macht es dir nichts aus.«
»Hängt davon ab. Welchen denn?«
»Meinen Liebling, den dunkelblauen Talbot-Lago.«
»Das Coupé mit der Karosserie von Saoutschik? Du hast einen kostspieligen Geschmack. Der Wagen kostet zweihunderttausend Dollar.«
»O Gott, hoffentlich wird er auf dem Parkplatz nicht eingebeult.«
Pitt sah sie ernst an. »Wenn das geschieht, wird der unabhängige Staat Colorado einen freien Sitz im Kongreß haben.«
Sie kniff ihn in den Arm und lachte. »Du hältst von deinen Autos mehr als von deinen Frauen.«
»Autos nörgeln nie und beklagen sich nicht.«
»Ich kann mir dafür ein paar andere Dinge vorstellen, die sie auch nie tun«, sagte sie mit einem mädchenhaften Lächeln. Sie bahnten sich ihren Weg durch das überfüllte Flughafengebäude und warteten auf das Gepäck. Schließlich kam
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